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Auto News


Historie Mercedes-Benz L 6600 und Omnibus O 6600 feiern Jubiläum

Nutzfahrzeuge


Mercedes-Benz L 6600 und Omnibus O 6600 feiern Jubiläum

Mercedes-Benz L 6600, Pritschenwagen der Baureihe 304 als Gliederzug mit zweiachsigem Anhänger
Die Erfolgsmodelle Mercedes-Benz L 6600 und der mit dem gleichen Antriebsstrang ausgerüstete Omnibus Mercedes-Benz O 6600 debütieren 1950.
Mercedes-Benz L 6600, Pritschenwagen der Baureihe 304 als Gliederzug mit zweiachsigem Anhänger

Der Schwerlastwagen Mercedes-Benz L 6600 und der mit dem gleichen Antriebsstrang ausgerüstete Omnibus Mercedes-Benz O 6600 sind von 1950 bis in die Mitte der 1960er-Jahre die optimalen Fahrzeuge für Wiederaufbau, Wirtschaftswunder und eine neue Lust am Reisen. Der Lastwagen der Baureihe 304 kommt im Oktober 1950 auf den Markt. Der Bus folgt im November. Beide gehen von Beginn an auch in den Export. Insbesondere der Lastwagen ist eines der wichtigen Erfolgsprodukte für den Aufstieg der damaligen Daimler-Benz AG zum global operierenden Nutzfahrzeughersteller. Bereits 1949 hat dieses Kapitel in der Nutzfahrzeughistorie des Unternehmens mit der Vorstellung der mittelschweren Lastwagenbaureihe 312 begonnen.

Nicht nur das Konzept des L 6600 begeistert die Kunden, sondern auch der dazu gebotene Mercedes-Benz Service: Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs verfolgt die Marke im Nutzfahrzeugbereich eine Produkt- und Servicestrategie, die auf robusten und kostengünstigen Fahrzeugen mit gutem Leergewicht-Nutzlast-Verhältnis sowie auf einem dichten Servicenetz beruht. Dieser Ansatz ist ausgesprochen erfolgreich. Schon im Jahr 1956 tragen Nutzfahrzeuge mehr als die Hälfte zum Umsatz von Daimler-Benz bei. Auch beim L 6600 verschaffen das dichte Servicenetz und schnell lieferbare Ersatzteile einen wichtigen Wettbewerbsvorteil bei Schwerlastwagen. Das trifft nicht nur auf den deutschen Markt zu, sondern gilt gleichermaßen für den Export.

Höhere Motorleistung bei geringerem Verbrauch

Als Haubenlastwagen mit 6,6 Tonnen Nutzlast erinnert die Konzeption des L 6600 auf den ersten Blick an Nutzfahrzeuge vor dem Zweiten Weltkrieg wie etwa den L 6500 (Baureihe 54). Doch die Technik hat sich 1950 erheblich weiterentwickelt – das gilt insbesondere für den leichteren, höher drehenden Dieselmotor mit gesteigerter Leistung bei geringerem Verbrauch. Diesen neuen Technologieansatz verdeutlicht der Vergleich zwischen dem L 6600 mit dem Motor OM 315 (8.280 Kubikzentimeter Hubraum) und dem L 6500 mit dem Motor OM 57 (11.200 Kubikzentimeter Hubraum): Der neue Schwerlastwagen leistet 107 kW (145 PS) bei 2.100/min statt 110 kW (150 PS) bei 1.700/min. Und während die Höchstgeschwindigkeit von 55 km/h auf 70 km/h steigt, sinkt der Verbrauch von 36 Litern Dieselöl je 100 Kilometer auf 24 Liter.

Die Entwicklung des neuen Sechszylindermotors für den L 6600 nennt der damalige Entwicklungsvorstand Prof. Dr. Fritz Nallinger im Rückblick 1965 „sicher einen sehr großen Schritt“. Bereits 1941 entwickelt und erprobt Mercedes-Benz während des Zweiten Weltkriegs den Sechszylinderdieselmotor OM 304 mit höherer Drehzahl. Nach 1945 folgt die Entwicklung zum serienreifen OM 315 in der Motorenkonstruktion in Untertürkheim. Mit 40.207 von 1950 bis 1979 gebauten Motoren, einschließlich der Ersatz- und Stationärmotoren, ist der OM 315 über Jahrzehnte besonders erfolgreich in seiner Klasse. Neben dem serienmäßigen OM 315 gibt es auch den nach NATO-AnForderungen entwickelten Vielstoffmotor OM 315 V (81 kW/110 PS) im Militärlastwagen LG 315, den 92 kW (125 PS) starken OM 315 II für Exportfahrzeuge sowie den aufgeladenen OM 315 A mit 132 kW (180 PS) für Sonderfahrzeuge und stationäre Anwendungen.

Der spätere Leiter der Dieselmotorenkonstruktion für Nutzfahrzeuge Otto Hartmann erinnert sich, wie die Ingenieure durch die Vorkammereinspritzung mit Becherbrenner und Lochkranz am Ende des Bechers nahezu die Verbrauchswerte von Motoren anderer Hersteller mit Direkteinspritzung erreichen. Die Vorkammereinspritzung zeichnet sich durch ihr besseres Geräuschverhalten aus. Dazu kommt die pendelnde Motoraufhängung in Gummipolstern mit Drehmomentstütze – so erreicht der L 6600 einen Motorlauf, den die Fachzeitschrift „Last-Auto und Omnibus“ in Heft 4/1951 lobt: „Man ist angenehm überrascht durch die Lauf- und Erschütterungsruhe des Motors.“

Mercedes-Benz O 6600, Reiseomnibus der Baureihe 304 mit Schiebetüren

Kundenwünsche erfüllt

Ausgesprochen zufrieden mit dem L 6600 zeigen sich 1952 in einer Befragung des Fachmagazins „Last-Auto und Omnibus“ 21 Kunden mit insgesamt 47 Fahrzeugen, deren Laufleistung damals bereits bis zu 330.000 Kilometer beträgt. Das Geräuschverhalten wird von sehr gut bis voll befriedigend bewertet. Im Fazit der Befragung heißt es denn auch: „Die Erfahrungen mit dem Mercedes L 6600 waren so gut, dass sämtliche [Besitzer und Fahrer] bei einer weiteren Neuanschaffung in dieser Größenklasse den gleichen Wagen wieder in die engere Wahl ziehen oder kaufen würden.“

Während als Stärken neben der Laufruhe die hohe Zuverlässigkeit und geringe Reparaturanfälligkeit sowie die gute Motorleistung, leicht gehende Lenkung und die Bremsen genannt werden, gibt es hingegen Kritik am schmalen Fahrerhaus. Dieses ist identisch mit der Kabine der mittelschweren Lastwagen L 3500 (L 311) und L 4500 (L 312) und gilt insbesondere im Fernverkehr als nicht ausreichend. Für Ferntransporte wird der L 6600 daher oft mit Fahrerhäusern von Aufbauherstellern wie Eylert, Kässbohrer und Wackenhut ausgerüstet.

Wegbereiter des Frontlenkers

Die Lastwagenbaureihe 304 steht bei Mercedes-Benz auch für den Wechsel vom klassischen Haubenlastwagen der schweren Klasse zum Schwerlastwagen in Frontlenkerbauweise. Diese Konzeption macht das Nutzfahrzeug erheblich kompakter – bei gleichem Transportraum. Zum Vergleich: Ein L 6600 (ab Herbst 1954 wird er als L 315 bezeichnet) mit 6.000 Millimetern Pritschenlänge hat eine Gesamtlänge von 9.280 Millimetern. Demgegenüber hat die ab Mai 1954 zunächst nur für die Exportmärkte produzierte und ab 1955 für den deutschen Markt gebaute Frontlenkerausführung LP 315 bei derselben Pritschenlänge eine Gesamtlänge von nur 8.450 Millimetern und ist entsprechend wendiger.

In der Bezeichnung LP für den Frontlenker steht das P für „Pullman“, abgeleitet vom für damalige Verhältnisse besonders komfortabel gestalteten Fahrerhaus mit Schlafplätzen für zwei Personen. Dieses Fahrerhaus stellt das Unternehmen Gebrüder Wackenhut GmbH, Karosserie- und Fahrzeugfabrik in Nagold her und liefert es zur Endmontage nach Gaggenau. Dazu schreibt „Das Nutzfahrzeug“ in Heft 1/1956: „Etwas besonderes ist das Fahrerhaus des LP 315, das die Bezeichnung ‚Pullman‘-Ausführung berechtigt erscheinen lässt. Auf zwei Sitzreihen (allerdings bei alleinstehendem Fahrersitz) können bis 5 Personen Platz finden. Die rückwärtige Sitzbank lässt sich in zwei übereinanderliegende Schlafstellen verwandeln. Der Fahrersitz ist in jeder Richtung verstellbar. Trotzdem der Motor ausgesprochen laufruhig ist, wurde durch zusätzliche Schallisolierung noch ein übriges getan.“

Gerade im Fernverkehr überzeugt der LP 315 die Kunden auch im deutschen Markt von Beginn an. Das Kürzel LP verwendet Mercedes-Benz viele Jahre lang in der Typbezeichnung von Frontlenkerlastwagen. In der Baureihe 304 werden diese Ausführungen auch wegen der gesetzlichen Vorschriften für begrenzte Lastzuglängen in der Bundesrepublik Deutschland stark nachgefragt. So spielen die schweren Lastwagen dieser Generation eine wichtige Rolle bei der Evolution der Haubenfahrzeuge zu Frontlenkern.

Große Typenvielfalt für nahezu jede Anwendung

Die Baureihe 304 bietet während der Produktionszeit des L 6600/L 315 eine große Vielfalt verschiedener Konfigurationen und Fahrzeugtypen mit Pritschenwagen, Kippern, Sattelschleppern und Sonderfahrzeugen – mit verschiedenen Radständen und viele davon auf Wunsch auch mit Allradantrieb. Der Wechsel der Typbezeichnung erfolgt im Jahr 1954 und steht für ein neues System: Bisher orientiert sich die Bezeichnung der Typen an ihrer Nutzlast – beim L 6600 also an den 6,6 Tonnen. Nun wird das Kürzel von der internen Baureihenbezeichnung abgeleitet. Bei den Schwerlastwagen geschieht das allerdings nicht, sie heißen ab Herbst 1954 nämlich nicht L 304, sondern L 315 – die Ziffernkombination bezieht sich also auf den Motor.

Die Haubenlastwagen sind als Pritschenwagen (L 6600/L 315), Kipper (L 6600 K/LK 315) und Sattelzugmaschinen (L 6600 Sa/LS 315 – ausschließlich für den Export) sowie in den Allradversionen LA 315, LAK 315 und LA 6600 Sa/LAS 315 erhältlich. Dazu kommt der Militärlastwagen LG 315, der vor allem an die deutsche Bundeswehr geliefert wird. Die Frontlenkerlastwagen der Baureihe 304 bietet Mercedes-Benz als Pritschenwagen LP 315, Kipper LPK 315 und Sattelschlepper LPS 315 ebenfalls mit verschiedenen Radständen an. Von dieser Generation der Schwerlastwagen entstehen 13.735 Fahrzeuge als klassische Hauber mit Hinterachsantrieb (1950 bis 1958), 1.264 Allradversionen (1954 bis 1957), 2.480 Frontlenker (1954 bis 1957) sowie 8.283 Militärlastwagen (1956 bis 1964). In der Summe sind es 25.762 Fahrzeuge.

Omnibus für Reise und Linienverkehre in der Stadt und auf dem Land

Zur Baureihe 304 gehören auch die Mercedes-Benz O 6600 Omnibusse. Dieser Typ entsteht, als die formschönen neuen Buskarosserien der späten 1940er-Jahre (O 5000) mit dem Antriebsstrang und dem Sechsganggetriebe des neuen Schwerlastwagens L 6600 kombiniert werden. Der O 6600 wird ab Werk als Stadtomnibus (zwei Schiebetüren, 27 oder 29 Sitze und jeweils 14 Stehplätze im Innenraum sowie auf dem hinteren Perron), Überlandomnibus (Klapp- oder Schiebetüren auf der rechten Fahrzeugseite, je nach Anzahl der Sitzreihen 37 oder 41 Fahrgastsitze sowie auf Wunsch 8 oder 9 Klappsitze im Mittelgang und ein zweisitziger Klappsitz neben dem Fahrer) und als Allwetterreiseomnibus (zusätzlich mit Webasto-Schiebedach und Dachrandverglasung) ausgeliefert. Ab 1954 heißt er O 304. Zwischen Juli 1950 und Januar 1959 werden 625 Fahrzeuge in den verschiedenen Ausstattungslinien und als Fahrgestelle gebaut.

Das Urteil über den O 6600 fällt in der Presse positiv aus. Die „Omnibusrevue“ lobt in Heft 4/1951 unter anderem die Elastizität und auffallende Laufruhe des Motors sowie eine für damalige Verhältnisse hohe Höchstgeschwindigkeit von gestoppten 88,8 km/h. Über die Federung schreiben die Tester: „Auf Straßen mit tiefen Schlaglöchern waren auf allen Sitzen keinerlei Stöße unangenehm bemerkbar. Man hatte den Eindruck, in einem guten Personenwagen zu fahren.“ „Last-Auto und Omnibus“ urteilt in Heft 11/1951: „Der Mercedes-Benz O 6600 gehört bezüglich Motor, Fahrgestell, Fahreigenschaften und Normalaufbau zu den wirtschaftlichen, schnellen und bequemen Reiseomnibussen. Das Fahrwerk gestattet Sonderaufbauten jeglicher Art. Die Leistung des Motors reicht aus, um selbst bei voller Nutzlast praktisch mit den oberen 4 Gängen auszukommen.“

Entwicklung von Frontlenkerbussen mit dem Dieselmotor OM 315

Zweigleisig fährt Daimler-Benz Anfang der 1950er-Jahre bei der Entwicklung von Frontlenkerbussen mit dem Dieselmotor OM 315: Dem modernen Konzept des Heckmotoromnibus folgt der Typ O 6600 H/O 320 H der Baureihe 320, der ab März 1951 gebaut wird. Parallel dazu entsteht aber auch ein preisgünstigeres Frontlenkerfahrgestell mit vorn liegendem Motor. Dieser OP 6600/OP 315 mit einem Radstand von 5.700 Millimetern wird ab Dezember 1953 gebaut und von renommierten Aufbauherstellern karossiert, zum Beispiel von Vetter in Fellbach. In einer Mercedes-Benz Pressenotiz vom Juli 1955 heißt es zu diesem Typ: „Nach dem umfangreichen Omnibusauftrag der Stadt Teheran hat die Daimler-Benz A.G. jetzt auch eine größere Omnibuslieferung für die Stadt Istanbul abschließen können. Istanbul erhält 200 Mercedes-Benz Omnibusse vom Typ OP 315, eine Weiterentwicklung des O 6600 in Pullman-Form.“ Als elektrischer Trolleybus für den Oberleitungsbetrieb wird der O 6600 T in vielen Städten auf der ganzen Welt eingesetzt.


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