Nach dem Sieg beim prestigeträchtigen Grand Prix von Monaco reist Michelin mit breiter Brust an den Nürburgring: Beim Großen Preis von Europa – siebter Lauf zur diesjährigen Formel 1-Weltmeisterschaft – rechnen sich der französische Reifenhersteller und seine sechs Partner-Teams gute Chancen aus, an die jüngsten Erfolge anzuknüpfen. Im vergangenen Jahr unterstrichen die beiden
BMW WilliamsF1-Piloten Ralf Schumacher und Juan Pablo Montoya mit ihrem Doppelsieg im Schatten der Nürburg, dass die Experten aus Clermont-Ferrand bestens mit den Bedingungen auf dem 5,148 Kilometer langen Kurs zurecht kommen. Für das Rennen auf der anspruchsvollen Berg- und Talbahn stellt Michelin seinen Partnern
Renault F1, BAR-
Honda,
BMW WilliamsF1, McLaren-Mercedes,
Toyota F1 und
Jaguar Racing neu entwickelte Reifenmischungen zur Verfügung, die im Vorfeld des Monaco-Grand Prix ausgiebig getestet wurden.
Keine Atempause für die Formel 1: Nur eine Woche nach dem Rennen im Mittelmeer-Fürstentum geht die Königsklasse des Motorsports auf dem Nürburgring erneut an den Start. "Diese sehr kurze Pause stellt alle Teams vor die logistische HerausForderung, das gesamte Material in kürzester Zeit von A (Monaco) nach B (Nürburg) zu transportieren", beschreibt Sam Michael, BMW WilliamsF1-Chefingenieur. In naher Zukunft hält der Formel 1-Kalender noch zweimal eine ähnliche Konstellation bereit: Auch die Großen Preise von Kanada (13. Juni) und den USA (20. Juni) sowie die Läufe in Frankreich (4. Juli) und Großbritannien (11. Juli) finden jeweils an aufeinanderfolgenden Wochenenden statt. Teams und Fahrern stehen also arbeitsreiche Tage bevor – der Große Preis von Europa ist das zweite von sechs Rennen innerhalb nur acht Wochen.
Bei dieser dichten Folge der einzelnen Saisonläufe bleibt in der Zwischenzeit nur wenig Gelegenheit, technische Neuerungen zu testen. Entsprechend bereiteten sich die Teams schon im Vorfeld des Monaco-Grand Prix auch auf das Rennen auf dem Nürburgring vor. "Bei unseren Testfahrten in Le Castellet in der vorvergangenen Woche nutzten wir neben der kurzen Streckenvariante zur Vorbereitung auf den Monaco-Grand Prix auch die längere für die Abstimmung auf den Lauf in der Eifel", berichtet beispielsweise Toyota-Pilot Olivier Panis. "Dabei konnten wir zum Teil sogar schon auf den Großen Preis von Kanada hinarbeiten."
Das Grand Prix-Wochenende aus Sicht von Michelin
Auf den ersten Blick stellt der Nürburgring keine außergewöhnlichen AnForderungen an die Reifen: "Der Kurs bietet nur ein verhältnismäßig geringes Grip-Niveau", erklärt Pascal Vasselon, Formel 1-Projektleiter bei Michelin. "In puncto Verschleiß erwarten wir deshalb keinerlei Probleme, obwohl die Autos mit sehr hohem Abtrieb fahren." Mit dem ausgewogenen Verhältnis von Rechts- und Linkskurven beansprucht der Eifel-Kurs zudem alle vier Reifen sehr gleichmäßig. Lediglich der linke Vorderreifen übernimmt im Vergleich zu den anderen Pneus etwas höhere Lasten. Es könnte also alles ganz einfach sein – wenn da nicht das typische Eifel-Wetter wäre: "Zu dieser Zeit im Jahr kann die Asphalttemperatur am Nürburgring ebenso gut bei fünf wie bei 40 Grad Celsius liegen", so Vasselon. "Zudem sind immer auch Regenschauer möglich. Dabei kann es durchaus passieren, dass nur Teile der Strecke nass sind." Die Pneus müssen also unter zum Teil extremen Bedingungen bestens funktionieren. Um auf diese Verhältnisse optimal vorbereitet zu sein, testete Michelin gemeinsam mit seinen Partnerteams in der vorvergangenen Woche verschiedene neu entwickelte Reifen. Dabei kamen sowohl Trocken- wie auch Regenpneus zum Einsatz. "Die Neuentwicklungen funktionierten hervorragend", lobte Christian Silk, Leiter des Renault F1-Testteams. Der französische Reifenhersteller reist also optimal vorbereitet zum Großen Preis von Europa.
Das erwarten die Michelin-Partnerteams
Nach Jarno Trullis Sieg in Monaco herrscht beim Renault F1-Team selbstverständlich beste Stimmung: "Wir haben uns seit Saisonbeginn kontinuierlich gesteigert", bestätigt Flavio Briatore, geschäftsführender Direktor der "Equipe Jaune". "Der Sieg bei diesem prestigeträchigen Rennen ist der verdiente Lohn. Wir werden uns jetzt aber nicht auf den Lorbeeren ausruhen, sondern uns in dieser Woche intensiv auf den Nürburgring vorbereiten." Jarno Trulli, der "König von Monaco", gibt sich zuversichtlich: "Wir sollten zwar das Nürburgring-Rennen abwarten um beurteilen zu können, wie groß unser Fortschritt wirklich ausgefallen ist", so der Italiener. "Aber ich bin mir sicher: Wir werden von dem Renault F1-Team noch mehr erwarten dürfen – das Beste liegt noch vor uns."
Auch BAR-Honda glaubt, am kommenden Wochenende ein ähnlich gutes Ergebnis zu erzielen wie in Monaco: "Wir werden stark sein", ist sich Jenson Button als Zweitplatzierter des vergangenen Wochenendes sicher. "Unser Auto sollte auf dem Nürburgring sehr gut funktionieren." Darauf baut auch Takuma Sato, den ein Motorschaden auf den Straßen von Monte Carlo bereits in den ersten Runden aus dem Rennen warf. "Wir haben uns intensiv auf den Großen Preis von Europa vorbereitet", berichtet der Japaner. "Aufgrund der Ergebnisse bei den Testfahrten weiß ich, dass ich nicht lange auf Wiedergutmachung für den Ausfall warten muss..."
Gut gerüstet sieht sich BMW WilliamsF1: "Wir werden beim Großen Preis von Europa neue aerodynamische und mechanische Weiterentwicklungen einsetzen", berichtet Sam Michael. Auch die beiden Piloten zeigen sich zuversichtlich. "Die Strecke ist fahrerisch sehr anspruchsvoll, das macht Spaß", berichtet Juan Pablo Montoya. "Zudem waren wir auf dem Nürburgring immer ziemlich gut unterwegs." Beinahe schon eine Untertreibung angesichts des Doppelsiegs der Weiß-Blauen in der vergangenen Saison. Auch Ralf Schumacher fiebert dem Rennen unweit seines Geburtsortes Kerpen entgegen: "Der Nürburgring ist für mich natürlich immer etwas Besonderes. Ich hätte auch nichts gegen eine Wiederholung meines Vorjahrs-Erfolges einzuwenden."
Nach dem Doppelausfall im Mittelmeer-Fürstentum peilt McLaren-Mercedes in der Eifel wieder WM-Punkte an: "Wir haben vor allem im Qualifying viel versprechende Fortschritte erzielt", analysiert Teamchef Ron Dennis. "Leider lief das Rennen dann sehr unglücklich für uns. Wir sind aber auf dem richtigen Weg und werden diesen auch beim Europa-Grand Prix fortsetzen."
Für das in Köln beheimatete Toyota-Team ist der siebte Saisonlauf auf dem Nürburgring ein Heimrennen: Nachdem sowohl Cristiano da Matta als auch Olivier Panis am vergangenen Wochenende WM-Zähler sammelten, setzen sich die Rot-Weißen auch am kommenden Sonntag Punkteränge als Ziel. "Wir hatten leider an beiden Autos ein Kupplungs-Problem", erläutert Chefingenieur Mike Gascoyne. "Ohne diese Schwierigkeiten wäre in Monaco für uns sogar ein Platz auf dem Podest möglich gewesen. Entsprechend zuversichtlich blicke ich dem Großen Preis von Europa entgegen."
Jaguar hofft, beim siebten Saisonlauf die seit fünf Rennen währende Durststrecke beenden zu können: "Bereits in Monte Carlo befanden wir uns in dieser Hinsicht absolut auf Kurs, wie nicht zuletzt unsere Startplätze bewiesen", so Chefingenieur Dr. Mark Gillan. "Christian Klien wurde in der hektischen Startphase leider in eine Kollision verwickelt. Mark Webber litt kurze Zeit später unter einem bislang unerklärlichen Leistungsverlust, der ihn zur Aufgabe zwang. Wir werden die Daten genau analysieren und am kommenden Wochenende wieder voll angreifen."
Rückblick: Der Große Preis von Europa 2003
Pole Position, schnellste Rennrunde und dann noch ein Doppelsieg: Reifenspezialist Michelin gelang beim Großen Preis von Europa nach dem Grand Prix von Monaco der zweite lupenreine Hattrick der Saison. Im entscheidenden Qualifying war es McLaren-Mercedes-Pilot Kimi Räikkönen, der auf dem Nürburgring die Bestzeit setzte. Im Rennen übernahm der BMW WilliamsF1-Pilot Ralf Schumacher die Führung, als der junge Finne seinen "Silberpfeil" nach halber Renndistanz mit einem Defekt abstellen musste. Juan Pablo Montoya im zweiten Michelin-bereiften Williams-BMW kämpfte sich nach einem spannenden Duell mit Michael Schumacher auf Rang zwei vor, während der amtierende Weltmeister einen Dreher aufs Parkett legte und bis auf Rang fünf hinter den Renault-Michelin-Piloten Fernando Alonso zurückfiel.
Historie: Michelin gewinnt Premieren-Grand Prix auf dem neuen Kurs 1984, acht Jahre nach dem schweren Unfall von Niki Lauda auf der berühmten Nordschleife, kehrte die Königsklasse des Motorsports in die Eifel zurück. Sieger des ersten Formel 1-Rennens auf dem so genannten Grand Prix-Kurs wurde der Michelin-Pilot Alain Prost. Der Franzose beherrschte den Großen Preis von Europa am 21. Oktober vor 20 Jahren nach Belieben und siegte mit rund 24 Sekunden Vorsprung. Insgesamt entschied der "Professor" mit seinem vom 1,5-Liter V6-TAG-Turbomotor befeuerten McLaren MP4-2 sieben der 16 Saisonläufe für sich. Zum WM-Titel langte es aber nicht: Teamkollege Niki Lauda krönte sich mit 72 Punkten zum Weltmeister. Sein Vorsprung auf Prost: 0,5 Zähler.
Kommentare
Ralf Schumacher (BMW WilliamsF1): Niedriges Grip-Niveau am Nürburgring
"Obwohl der Nürburgring eine permanente Rennstrecke ist, liegt das Grip-Level teilweise auf niedrigem Niveau. Der linke Vorderreifen wird durch die Kurvenkombinationen am stärksten geFordert. Ich war im vergangenen Jahr überglücklich über meinen Sieg. Der Nürburgring ist für mich einfach das Heimrennen schlechthin. Bis auf die langsame Passage zu Beginn der Runde mag ich den Kurs."
Olivier Panis (Toyota F1): Weiches Set-up bringt Reifen besser auf Temperatur
"Auf dem Nürburgring brauchen wir vor allem eine gute Balance. Da es hier sehr kalt sein kann, wähle ich in der Regel ein weiches Set-up, damit die Reifen auf Temperatur kommen. Wegen des geringen Griplevels neigen die Autos zum Untersteuern – das sollte man bei der Abstimmung auf jeden Fall abstellen, um die Reifen nicht zu schnell zu verschleißen. Das Überholen erweist sich in der Regel als schwierig."
Statistisches
Großer Preis von Europa, Nürburgring, Nürburg, 7. Lauf zur FIA-Formel 1-Weltmeisterschaft 2004 (30. Mai 2004); Renndistanz: 60 Runden à 5,148 km = 308,863 km.