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Thema: Motorsport


Bau eines Formel 1-Monocoque

Formel 1-Monocoque Ein Formel 1-Monocoque besteht nicht nur aus einem, sondern bis zu fünf verschiedenen Materialien – neben Carbon vor allem Kunstharz-Werkstoffe und Aluminium-Wabenstrukturen. "Der erste Schritt beim Zuschneiden besteht im Datentransfer der digitalen Konstruktionszeichnungen an die Lectra-Schneidautomaten", erklärt Colin Watts, Leiter der Verbundstoff-Abteilung. „Ist das abgeschlossen, sortiert die Software alle Teile aus demselben Material zueinander und organisiert ihren Zuschnitt so effizient wie möglich. Auch wenn wir natürlich mit möglichst wenig Verschnitt arbeiten möchten, ändern wir eines niemals: die Ausrichtung der Fasern. Sie müssen je nach der späteren Belastung in einer ganz bestimmten Richtung verlaufen.“ Wenn eine Partie Teile – ein so genannter "Marker" – zusammengestellt ist, beginnt die Maschine mit dem Zuschneiden. "Für die obere Chassis-Hälfte schneiden wir bis zu 500 Teile zu, die dann absolut exakt in die ‚Backform’ gelegt werden müssen", fährt Colin fort. Der Zuschnitt aller "Markers" für ein Chassis dauert zwischen zwei und drei Stunden.

Sandwiches mit Haut, aber ohne Haar

Das Monocoque besteht aus drei Schichten: der Außenhaut, dem Kern und der inneren Haut, die in einer so genannten "Sandwich"-Struktur verbunden werden. "Die Außenhaut besteht aus 150 bis 200 einzelnen Karbonstücken", beschreibt Watts. "Wir setzen die Negativformen des Chassis zusammen und beginnen dann, diese Teile wie in einem Mosaik gemäß der Konstruktionszeichnungen darauf zu legen. Dabei müssen wir peinlich genau auf die Ausrichtung der Puzzlestücke achten. Wir bringen verschiedene Typen Karbonfaser in Schichten auf. Wie dick das Material liegt, hängt davon ab, an welcher Stelle des Monocoque es sich befindet. Schlüsselstellen wie die Motorenaufnahme oder die Überrollstruktur benötigen eine höhere Materialstärke, um den anfallenden Kräften gewachsen zu sein." Ist die Außenhaut zusammengesetzt, werden die zahllosen Einzelteile im Autoklaven geschmeidig gemacht und unter Druck „verbacken“. Dabei schließen sich die Nahtstellen, die einzelnen Schichten werden zusammengepresst. Anschließend härtet die Außenhaut im Autoklaven aus, bevor der Kern und die innere Haut hinzugefügt werden.

Steif genug? Leicht genug?

Bei der Konstruktion und Fertigung des Chassis stehen die Techniker ständig vor der Aufgabe, widersprüchliche Anforderungen miteinander in Einklang zu bringen: minimales Gewicht und maximale Steifigkeit. Je dicker das "Sandwich" ausfällt, desto rigider ist es – aber auch schwerer. Ein dünnerer Kern zum Beispiel spart zwar Gewicht, verwindet sich aber stärker. Neben den eigenen Ziel-Parametern muss das Monocoque auch neutrale Tests bestehen: "Die Seitenwände des Chassis etwa werden von der FIA bereits während der Konstruktion homologiert", erklärt Colin. "Dazu fertigen wir ein Muster der späteren Chassis-Struktur an und senden es an den Weltverband. Bei einem der dortigen Crashtests muss unsere Wand einen Einschlag aushalten, der einem rechtwinkligen Crash mit einem anderen Auto entspricht." Sobald das Chassis das FIA-Prüfsiegel trägt, ist die Konstruktion für die Saison zugelassen.

Zehn Mann in zwei Schichten

Während des Winters arbeiten die Verbundstoff-Techniker buchstäblich Tag und Nacht an den neuen Chassis. "Wir beschäftigen zehn ausgebildete Laminierer, die in Tag- und Nachtschichten arbeiten", berichtet Colin. "In unseren staubfreien Labors befinden sich stets je zwei obere und untere Chassis-Formen, so dass wir permanent an zwei Monocoques gleichzeitig arbeiten können.“ Auch wenn die Chassis als größte Baugruppen den höchsten Personaleinsatz erfordern, ist ihre Fertigungsweise eher die Ausnahme. "Üblicherweise stellt ein Verbundstoff-Techniker ein Teil von A bis Z alleine her", schließt Abteilungsleiter Watts. "Das mag nicht die effizienteste Methode sein, aber wir haben unsere Fertigungsprozesse ausschließlich auf Qualität hin optimiert. Damit kommt mehr Beständigkeit in die Produktion, und die Techniker empfinden mehr Stolz und Verantwortung für ihre Arbeit." Und schließlich ist es diese Liebe zum Detail, die in der Formel 1 den Unterschied macht.


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