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Thema: Historie


Vor 55 Jahren: Der Daimler Benz L 6600

Mercedes-Benz L 6600 Pritschenwagen, 1950Für höhere Tonnagen kommt bei Daimler-Benz als erste Neuentwicklung eines Schwer-Lkw nach dem Krieg der L 6600. Im Oktober 1950 startet die Serienproduktion dieses braven Arbeitstiers, dessen Nutzlast 6.600 Kilogramm beträgt. Der L 6600 mit seinem 145 PS starken und 8,3 Liter großen Vorkammerdiesel OM 315 stammt aus dem Werk Gaggenau, das sich nun ganz auf die schwere Klasse konzentriert.

Für den Motor verspricht das Werk: "Leistungen von mehr als 200.000 Kilometern und mehr sind ohne jede Motorreparatur für den Typ L 6600 keine Seltenheit." Verchromte oberste Kolbenringe sollen die Lebensdauer der Zylinderlaufbahnen verdoppeln, die siebenfach gelagerte Kurbelwelle läuft in "gehärteten Blei-Bronce-Lagern", welche die Endkontrolle in Gaggenau vor dem Einbau einer peniblen Röntgenkontrolle unterzieht. "Drehmoment-Abstützung" nennen die Verkaufsstrategen die "erstmalig bei einem Motor von dieser Größenordnung völlig schwingungsfreie Aufhängung" in Gummi.

Ein modernes Gepräge verleiht dem L 6600 außerdem ein thermostatisch geregeltes Kühlsystem mit Ölwärmetauscher, das das Motoröl effizienter als gewohnt erwärmen respektive kühlen soll. Eine Motorbremse gibt es für den L 6600 auf Wunsch. Serienmäßig bestückt Gaggenau den Neuen zudem mit einer Zentralschmieranlage, an die "alle wichtigen Lagerstellen" angeschlossen sind, wie ein Prospekt versichert.

Der "Sechs-Sechser", wie ihn die Zeitgenossen nennen, verleugnet seine Abstammung vom L 6500 nicht, den Gaggenau von 1935 bis 1940 gebaut hat. Chassis und Fahrerhaus sind nur leicht modifiziert, während die Haube und Stoßfänger im Stil der Zeit mit gefälligen Rundungen daherkommen und damit dem Wagen nebenbei eine höhere Windschlüprigkeit verleihen.

Solide Technik, traumhafter Start

Vom Fleck weg etabliert sich der L 6600 als bestverkaufter Lkw in seiner Klasse. Diese Dominanz baut das Fahrzeug teilweise zu absoluter Mehrheit aus, obwohl es in Deutschland sechs weitere Hersteller gibt, die dieses Segment bedienen. Büssing, Faun, Henschel, Kaelbe, Magirus, MAN und Krupp lauten in alphabetischer Folge die Namen all der Unternehmen, die zu dieser Zeit um die Gunst der Kunden bei Lkw von 13 bis 15 Tonnen zulässigen Gesamtgewichts rangeln.

Das ist noch nicht die Königsklasse, aber eine bei den Kunden weitaus beliebtere Kategorie. Zwar gibt es zugleich schon insgesamt sechs deutsche Hersteller, die zu Beginn der 50er-Jahre Lastwagen à 16 Tonnen Gesamtgewicht und mit starken Motoren der 200-PS-Klasse anbieten. Doch greifen die wenigsten Unternehmer zu, obwohl ein Lastzug zu dieser Zeit schon – wie heutzutage wieder – stattliche 40 Tonnen auf die Waage bringen und auch zwei Anhänger im Schlepp (allerdings nur bis 1953) haben darf. Zudem gibt es das Handikap von einer bis 1,5 Tonnen weniger an Nutzlast, unter dem die 13- bis 15-Tonner gegenüber der Königsklasse zu leiden haben.

Doch kommen sie den Käufer weit billiger zu stehen. Kostet ein 16-Tonner mit 180 bis 200 PS anno 1954 gut und gerne 50.000 Mark, so sind für einen 145 PS starken L 6600 eben nur ungefähr 35.000 Mark zu berappen. Für die so gesparten 15.000 Mark gibt es zu dieser Zeit aber bereits einen kompletten dreiachsigen Anhänger. So kommt es, dass die Unternehmer beim Einkauf lieber die günstigere Variante wählen und diese dann in der Praxis aber gern gnadenlos überladen. Auf diese Weise versuchen sie, das Manko zu kompensieren, das sich aus diesem knausrigen Vorgehen für die Kalkulation der Fracht ergibt.

Im ersten Gang den Berg hinauf

Leichte Beute werden sie auf diese Weise allerdings bei Kontrollen. Und jeder Fußgänger kann diese mühsam keuchenden Lkw fast schon überholen, wenn sie mit den knackigen Steigungen der Kasseler Berge (bis acht Prozent) kämpfen. Da heißt es in den ersten Gang der sechsstufigen, unsynchronisierten Klauen-Schaltbox AK 6-55 von ZF zurückschalten, der bis maximal 7,5 km/h reicht. Denn die Steigfähigkeit des L 6600 beträgt bei 40 Tonnen nur schlappe 7,3 Prozent im zweiten Gang. Eine pikante Akustik stellt sich bei solcher Fahrt im Kriechtempo zudem ein: Nur der "2. bis einschl. 6. Gang" sind im Typenblatt als "geräuscharme Gänge" klassifiziert.

Der Güterfernverkehr gedeiht seinerzeit dennoch. Die Bundesrepublik steuert mit Lkw wie dem Sechs-Sechser geradewegs ins Wirtschaftwunder. Trotzdem fertigt aber das Werk immer noch keine lange Kabine mit Liege, auf der die Fahrer des L 6600 übernachten könnten. Solche Varianten steuern Karosseriefirmen wie Wackenhut, Schenk, Kässbohrer oder Kögel bei. Oft aber gelangt das zusätzliche Raumangebot der extern bezogenen Fernverkehrskabinen auch nicht über eine "Schwalbennest" genannte Koje hinaus, die sargähnlich nach hinten in den Laderaum hineinragt. Das hat aus Unternehmersicht den Vorteil, dass das Ladevolumen weniger darunter leidet als es bei einer komplett verlängerten Fernfahrerkabine der Fall wäre.

Nutzlast stetig erhöht

Bis Ende 1953 fertigt Daimler-Benz den L 6600 als Pritschenwagen und in zwei Radständen sowie als Kipper. Das zulässige Gesamtgewicht klettert von 12.500 Kilogramm in den Jahren 1950 und 1951 auf 12.750 Kilogramm in den beiden Jahren darauf und erreicht 1953 dann 13.250 Kilogramm. Damit einher geht ein steter Zuwachs bei der Nutzlast, die anfangs 6.500 Kilogramm und am Ende 7.200 Kilogramm beträgt. Zum Jahresende 1953 bereichert eine besonders geländegängige Allradversion diese bestens eingeführte Lkw-Familie, zu der auch eine Kastenwagen-Variante gehörte: Das für Omnibusse entwickelte Niederrahmenfahrgestell O 6600 machte es möglich.

Unter der Typenbezeichnung LG 6600 gesellt sich zu dieser illustren Runde ab 1953 noch die Entwicklung eines leicht exotischen Vetters. Dabei handelt es sich um ein für militärische Zwecke gedachten, hoch geländegängigen Allrad-Lkw mit fünf Tonnen Nutzlast, der für die im Aufbau begriffene Bundeswehr konzipiert ist.

In zwei Varianten schickt ihn Daimler-Benz 1956 (und dann bereits LG 315 genannt) zur Erprobung: als Pritschenwagen sowie als Sattelzugmaschine. Bestückt sind diese rundum einzelbereiften Fahrzeuge dann allerdings mit dem neuen Vielstoffmotor OM 315 V. In größerem Stil ordert die Bundeswehr dann von 1958 bis 1964 Varianten mit offenem Fahrerhaus, Klappverdeck und mit verschiedenen Aufbauten, nachdem die Royal Air Force bereits um 1954 ein größeres Kontingent an LG 6600 bezogen hat.


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