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Thema: Historie


Mai 1995 - ESP feiert sein Debüt im Mercedes-Benz S 600 Coupé

Mercedes-Benz S 600 CoupéVor zehn Jahren ging im Mercedes-Benz S 600 Coupé ein Meilenstein der Sicherheitstechnik in Serie: das Elektronische Stabilitäts-Programm ESP. ESP verringert die Schleudergefahr bei Kurvenfahrt und hält das Auto auch in extremen Situationen, wie Glatteis oder Nässe, in der Spur. Heute gehört dieses System zur Standardausstattung aller Mercedes-Benz Personenwagen.

"Wären alle Autos mit dem Stabilitäts-Programm ausgestattet, könnten in Deutschland jährlich mehr als 20.000 dieser schweren Verkehrsunfälle mit über 27.000 Unfallopfern verhindert werden", sagt Dr. Thomas Weber, DaimlerChrysler-Vorstand für Forschung und Technologie und Leiter der Entwicklung der Mercedes Car Group. Laut einer repräsentativen Stichprobenanalyse der neuesten Unfallstatistik sind Mercedes-Benz Personenwagen seit dem serienmäßigen ESP-Einsatz weitaus seltener an folgenschweren Fahrunfällen beteiligt als Automobile anderer Marken. Betrug der Anteil der Fahrunfälle an den Unfalltypen neu zugelassener Mercedes-Benz Modelle in den Jahren 1998/1999 durchschnittlich 20,7 Prozent, so verringerte er sich dank ESP im Zeitraum 2002/2003 um mehr als 42 Prozent. Bei Pkw-Modellen anderer Marken ging der Anteil der Fahrunfälle am gesamten Unfallgeschehen hingegen nur um rund 13 Prozent zurück. "ESP ist neben Gurt, Airbag und ABS das mit Abstand wichtigste Sicherheitssystem moderner Personenwagen", sagt Weber.

ESP erhöht die Fahrzeugsicherheit durch gezieltes Bremsen einzelner Räder, wirkt so einem Schleudern im Grenzbereich entgegen und lässt den Fahrer die Kontrolle über das Fahrzeug behalten. Ein Übersteuern wird durch Abbremsen des kurvenäußeren Vorderrads korrigiert, ein Untersteuern durch Abbremsen des kurveninneren Hinterrads. Zusätzlich kann ESP die Motorleistung drosseln, um die Fahrzeuggeschwindigkeit zu verringern.

Die Geschichte des ESP

Arjeplog, Nordschweden, im März 1994: Auf dem zugefrorenen Hornovan-See drehen zwei Mercedes-Benz Testwagen ihre Runden. Während der eine spurtreu über die Kreisbahn fährt, hat der Fahrer des zweiten Wagens deutliche Probleme, Kurs zu halten. Immer wieder bricht das Heck auf der eisglatten Piste aus, immer wieder heißt es gegenzulenken und aufs Neue zu beschleunigen. Am Rande der Teststrecke beobachten Journalisten aus aller Welt die Fahrmanöver. Sie erleben die Weltpremiere eines automobiltechnischen Meilensteins, das Mercedes-Benz und die Robert Bosch GmbH gemeinsam entwickelt haben: Im spurstabilen Versuchswagen arbeitet das aktive Fahrsicherheitssystem ESP. Knapp ein Jahr nach der Presse-Präsentation in Arjeplog geht diese zukunftsweisende Technik bei Mercedes-Benz in Serie: Das S 600 Coupé (Typ C 140) ist weltweit das erste Automobil mit diesem System, wenige Monate später folgte der Einsatz in der Limousine der S-Klasse (Typ W 140) und im Roadster SL (Typ R 129).

Bereits 1959 ein erstes Patent

Professor Fritz Nallinger, Chefingenieur und Vorstandsmitglied der Daimler-Benz AG, meldete bereits 1959 das Patent einer "Regeleinrichtung" an, die das Durchdrehen der Antriebsräder durch Eingriff in Motor, Getriebe oder Bremse verhindern sollte. Die Idee war gut, doch sie blieb lange Zeit nur Theorie. Denn es gab weder die notwendigen Sensoren noch die Steuerung, die den stabilisierenden Eingriff sekundenschnell vornehmen konnte. Erst die Mikroelektronik machte den Fortschritt möglich. Sie bewies ihre Alltagstauglickeit beim Antiblockier-Bremssystem (ABS), das 1978 in der S-Klasse Baureihe W 116 debütierte. Gleichzeitig war ABS die Grundlage für die Entwicklung weiterer Systeme. Darauf aufbauend entstand die Antriebsschlupfregelung (ASR, Serienstart 1981), die das Spiel der Längskräfte zwischen Reifen und Fahrbahn nicht nur beim Bremsen, sondern erstmals auch beim Beschleunigen regelte und dabei sowohl auf die Bremse als auch auf das Motormoment einwirkte. Später folgten das automatische Sperrdifferenzial (ASD, 1985) und der innovative permanente Vierradantrieb 4MATIC (1985). Gemeinsames Merkmal dieser Systeme ist es, den Radschlupf mit Hilfe moderner Mikroelektronik und Hydraulik zu erfassen und zu begrenzen, um die so genannte Längsdynamik eines Automobils zu verbessern.

Fahrsicherheit in allen Situationen

Doch damit gaben sich die Mercedes-Benz Ingenieure nicht zufrieden. Ihr nächstes Ziel war, die Fahrsicherheit in allen Situationen zu verbessern – also auch in Kurven, bei Ausweichmanövern oder bei anderen querdynamischen Fahrzeugbewegungen, die ein hohes Schleuderrisiko bergen. Deshalb startete man ein weiteres ehrgeiziges Entwicklungsprojekt: Unter dem Arbeitstitel "Querschlupfregelung" suchten die Ingenieure nach technischen Möglichkeiten, die Schleuderbewegungen eines Personenwagens zu erfassen und durch gezielte Eingriffe in Fahrwerk, Motor und Getriebe zu verringern.

Nach umfangreichen Computersimulationen und Voruntersuchungen gingen 1987 die ersten Versuchswagen mit einem solchen System auf Testfahrt und spulten in den folgenden Jahren tausende Erprobungskilometer ab. Gleichzeitig bewies die Erfindung im Berliner Fahrsimulator ihre Einsatztauglichkeit: Hier schickten die Mercedes-Benz Ingenieure 80 Autofahrerinnen und Autofahrer mit Tempo 100 über eine imaginäre Landstraße, wo in vier Kurven tückische Glatteisfallen mit einer um mehr als 70 Prozent geringeren Fahrbahnhaftung lauerten. Das Testergebnis: Ohne ESP hatten 78 Prozent der Testfahrer keine Chance, das Auto sicher auf Kurs zu halten und erlebten bis zu drei Schleuderunfälle hintereinander. Mit Hilfe des aktiven Fahrsicherheitssystems verliefen alle Testfahrten schleuder- und unfallfrei. Kein Wunder also, dass die Mercedes-Benz Ingenieure nicht länger zögerten, ESP in der Praxis zu erproben. Die Serienentwicklung begann im Jahre 1992. Mehr als 40 Ingenieure von Mercedes-Benz und Bosch arbeiteten gemeinsam an dem zukunftsweisenden Projekt, das schließlich 1995 in den Serienstart mündete.


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