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Thema: Motorsport


Rallye Großbritannien, 12. Lauf zur Rallye-WM

Von wegen britischer Spätsommer: Trotz des neuen September-Termins wartete die WM-Rallye England mit den gleichen winterlichen Witterungsbedingungen auf wie immer – Regen, Nebel und extrem rutschige Pisten. Trotz der schwierigen Ausgangsposition für die Reifenhersteller lieferte sich WM-Favorit und Michelin-Partner Sébastien Loeb ein einzigartig spannendes Duell mit seinem ärgsten Herausforderer, dem Titelverteidiger Petter Solberg. Die Entscheidung fiel erst auf den letzten Metern.

So dramatisch kann Motorsport sein: Nach 394 Kilometern Vollgas über schlammige, aber trotzdem irrsinnig schnelle Waldpfade, die immer wieder von tiefen Pfützen gesäumt werden, trennten den Sieger der WM-Rallye England gerade Mal 6,3 Sekunden vom Zweitplatzierten – und dass, obwohl sich die beiden Kontrahenten auf der Strecke selber nie sehen können, sondern jeder für sich allein gegen die Uhr fährt.

Während Ford-Junior François Duval bereits am Donnerstag Abend auf der lediglich 2,45 Kilometer langen "Super Special Stage" in der walisischen Hauptstadt Cardiff die erste Bestzeit setzte, war es Citroën-Pilot Sébastien Loeb, der am frühen Freitag Morgen bei strömendem Regen geradezu einen Blitzstart hinlegte. Zwei Bestzeiten in Folge katapultierten ihn an die Spitze der Zwischenwertung. "Das ging relativ problemlos", strahlte der Elsäßer. "Wir hatten uns für die weicheren Pneus von Michelin entschieden, das war gut so. Dieses Mal ist es kein Nachteil, dass ich am ersten Tag als Erster auf die Strecken muss. Ich mag diese Wertungsprüfungen, aber die Grip-Verhältnisse wechseln oft." Vorsprung des Franzosen auf Marcus Grönholm im ebenfalls Michelin-bereiften Peugeot 307 CC WRC: 19,5 Sekunden.

Doch der Finne, der sich seit seinem Heimsieg bei der "1000-Seen"-Rallye wieder im Aufwind wähnt, schlug postwendend zurück: Bestzeit auf WP 4, der gut 30 Kilometer langen Brechfa 2. Sein Zeitvorteil auf Petter Solberg: 0,1 Sekunden… Nur wenig später drehte der Norweger den Spieß jedoch wieder um: Der Subaru-Pilot entschied die folgenden drei Prüfungen für sich und verwies Grönholm im Etappenziel auf den dritten Rang. Weiterhin an der Spitze: Sébastien Loeb. "Die Pisten haben einen sehr schlammigen Charakter angenommen", so der ehemalige Kunstturner. "Es ist nicht einfach, dort den passenden Rhythmus zu finden. Auf den letzten beiden Prüfungen des heutigen Tages setzte zudem dicker Nebel ein – an manchen Stellen musste ich Kurven anbremsen, bevor ich sie überhaupt sehen konnte…"

Das übrige Starterfeld hatte mit dem Kampf um den Sieg zu diesem Zeitpunkt des zwölften Saisonlaufs schon nichts mehr zu tun. Trotz heroischem Einsatzes – der ihn einige Male neben die Strecke führte – fehlten Markko Märtin im Ford Focus WRC04 bereits mehr als eine halbe Sekunde auf Loeb. Dessen Teamkollege Carlos Sainz, der mit dem Fahrwerk seines Turbo-Allradlers haderte, hatte bereits im Vorfeld der Rallye England eine etwas zu konservative Reifen-Auswahl getroffen und hinkte mit zu harten Mischungen auf Rang fünf leicht hinterher. Das Werksteam von Skoda musste gar den ersten Ausfall beklagen: Armin Schwarz – der sich bis dahin mit seinem Fabia WRC bravourös auf Rang zehn nach vorne gekämpft hatte – legte seinen Turbo-Allradler auf der letzten Prüfung des Freitags aufs Dach und schied aus.

Der Michelin- und Citroën-Pilot kontrollierte die Führung

Auch am Samstag stellte Sébastien Loeb unter Beweis, dass er am frühen Morgen offensichtlich der Ausgeschlafenere ist: Er legte auf den ersten drei Prüfungen zwei Bestzeiten vor und baute seinen Vorsprung auf Solberg von 8,4 wieder auf 17,2 Sekunden aus. "Die Fahrwerksänderungen haben sich ausgezahlt", so der Citroën-Pilot. "Der starke Regen, der vergangene Nacht eingesetzt hat, schwemmte den Schlamm von den Wegen und brachte den steinigen Untergrund wieder hervor – wie Gestern Morgen. Mein Auto harmoniert bestens mit den Michelin-Pneus."

Doch erneut stellte der Titelverteidiger seinen Kampfeswillen unter Beweis: Beim zweiten Durchgang über die selben Strecken holte Solberg 6,6 Sekunden wieder auf. Bis zum Abend reduzierte er seinen Rückstand sogar bis auf 7,3 Sekunden – der Kampf der Rallye-Titanen hätte ausgeglichener kaum sein können. Citroën-Teamchef Guy Frequelin: "Es war für uns nicht einfach, für diese Jahreszeit das Wetter in England vorauszuberechnen. Daher weist unser limitiertes Reifenkontingent eine breite Vielfalt unterschiedlicher Typen auf – die aber für sich betrachtet jeweils nur in begrenzter Anzahl zur Verfügung stehen. Im Dauerregen haben wir stets zur weichsten Mischung von Michelin gegriffen."

Zu allem Überfluss kam auch noch Pech hinzu: Nach sechs von 30 Kilometern in der WP 14 ("Margam 1") erwischte Loeb einen Stein, der eine Felge demolierte. "Doch das pannenresistente ATS-System von Michelin funktionierte erneut perfekt", so der Tabellenführer. "Das Handling änderte sich zwar etwas, doch wir verloren nur vier oder fünf Sekunden auf Petter."

Das Verfolgerfeld war längst zu Statisten degradiert. Marcus Grönholm büßte seinen dritten Rang ein, als er auf der zweiten Prüfung des zweiten Tages von der Strecke flog und seinem Peugeot ein Rad entriss – das Aus. Markko Märtin hatte auf den WP elf bis 13 einen rätselhaften Leistungsverlust zu beklagen, der ihn zwar viel Zeit, nicht aber den frisch gewonnenen dritten Platz in der Zwischenwertung kostete. "Es begann nach zwei Kilometern in der WP ,Crychan 2'", erläuterte der Este. "Plötzlich fehlte Power, wir kamen uns ziemlich langsam vor, speziell auf den Bergaufpassagen." Drei Prüfungen musste sich der 28-Jährige mit dem Problemen abplagen, bevor die Ford-Techniker im Service-Park ein defektes Überdruckventil als Übeltäter entlarvten und den Schaden behoben.

Während Sainz Platz vier verteidigen konnte, hat sich François Duval durch drei Bestzeiten bis auf die fünfte Position vorgekämpft. Harri Rovanperä am Steuer des zweiten Peugeot 307 CC WRC blieb von Getriebeproblemen, die ihn noch am Vortag plagten, verschont und konnte Subaru-Mann Miko Hirvonen auf Rang sieben verweisen. Michelin-Partner Skoda musste weiterhin Hiobsbotschaften verkraften: Jani Paasonen – der noch bei der Rallye Finnland groß aufgeigen konnte – fiel einer defekten Kupplung zum Opfer, Toni Gardemeister musste einen Abflug vermelden, konnte seine Fahrt aber auf Rang zwölf fortsetzen.

Der Hitchcock-Krimi steuerte seinem Höhepunkt zu

Sonntag, Tag der Entscheidung zwischen Michelin-Mann Loeb und Subaru-Pilot Solberg. Der Franzose kehrte mit einer Bestzeit aus der 30 Kilometer langen "Rhondda 1" zurück – der Norweger hatte sich kurz von der Strecke gedreht. Gut drei Stunden später stand die selbe Prüfung zum zweiten Mal auf dem Programm. Während sich Loeb um 12,4 Sekunden verbessern konnte, drehte Solberg noch stärker auf: Er benötigte 18,8 Sekunden weniger – und übernahm erstmals die Führung. Sein Vorsprung nach 334 WP-Kilometern: 3,5 Sekunden. Ein Rallye-WM-Lauf in Form eines Hitchcock-Krimis steuerte seinem Höhepunkt entgegen.

Der Citroën-Star, der die Fahrer-Tabelle souverän anführt, riskierte auf der 27,55 Kilometer langen "Margam 2" viel – vielleicht zu viel: Der 30-Jährige beschädigte an einem Stein einen Reifen seines Xsara WRC. Dank des "ATS"-System seiner Michelin-Pneus konnte er seine Fahrt jedoch nahezu ungebremst fortsetzen und beendete diese WP immer noch als Zweitschnellster. Solbergs Vorsprung vor der letzten Prüfung jedoch war bis auf 5,7 Sekunden angewachsen – praktisch eine sichere Sache. Auf der 2,45 Kilometer langen Super Special Stage von Cardiff holte sich Markko Märtin die letzte Bestzeit, Loeb begnügte sich auch im Hinblick auf seine Titelchancen mit Rang zwei.

In der Tat sieht es in der Tabelle nach dem zwölften von 16 WM-Läufen für die Michelin-Partner ausgesprochen viel versprechend aus: Als fünffacher Saisonsieger nimmt Loeb die ausstehenden vier Rallyes mit einem 28-Punkte-Polster in Angriff. In der Markenwertung führt Citroën mit 137 Zählern vor Ford (102) und Subaru (79). Mit anderen Worten: Dem Team von Guy Frequelin fehlen bis zur erfolgreichen Titelverteidigung nur noch 34 Punkte, Michelin noch 13 Zähler.

Statistisches

Rallye Großbritannien, 12. Lauf zur Rallye-WM 2004 (17. bis 19. September 2004); Gesamtlänge: 1.298,00 Kilometer, davon 19 Wertungsprüfungen über 394,00 Kilometer; längste WP: 32,48 Kilometer (WP 6 + 7: Rheola); größte WP-Distanz von Service-Punkt zu Service-Punkt: 115,90 Kilometer (WP 2 bis 5); Anzahl der möglichen Reifenwechsel: 8. Start und Ziel: Cardiff. WP-Bestzeiten: Solberg (8); Sébastien Loeb (5), François Duval (4), Marcus Grönholm und Markko Märtin (je 1). Nach Marken: Subaru (8), Ford-Michelin (5), Citroën-Michelin (5), Peugeot-Michelin (1). Nach Reifenherstellern: Michelin (11), Pirelli (8).


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