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Thema: Autoratgeber


Pfusch bei der Unfallreparatur

Die jüngste Studie der DAT etwa kommt zu dem Ergebnis, dass rund jeder zehnte in Deutschland zugelassene Pkw im Jahr 2002 nach einem Unfall instandgesetzt wurde. Das heißt, fast 4,5 Millionen Pkw hatten einen Unfallschaden. Dieser Wert ist höher als die amtliche Unfallstatistik, da hier auch alle nicht gemeldeten Alleinunfälle und die von der Polizei nicht erfassten leichten Unfälle berücksichtigt werden. Die autorisierten Vertragswerkstätten reparierten 61 Prozent dieser Unfallschäden, berichtet die DAT weiter. 29 Prozent wurden in einer sonstigen Werkstatt oder einer Tankstelle repariert. Und neun Prozent der Autofahrer reparierten den Unfallschaden selbst.

Selbstverständlich verschieben sich diese Werte gravierend, wenn Unfallschäden an älteren Pkw zu beheben sind. Dann erhöht sich der Do-it-yourself- und Schwarzarbeit-Anteil auf über 30 Prozent. Solange es sich um einen Bagatellschaden handelt, ist das meist kein Problem. In zwölf Prozent der Unfälle jedoch überschreiten die Instandsetzungskosten die 5.000 Euro-Grenze. Das bedeutet, dass jedes Jahr rund 540.000 schwere Unfallschäden repariert werden müssen. Werden davon neun Prozent in Eigenregie instandgesetzt, bleiben fast 50.000 Pkw, die allein im Jahr 2002 nicht mit dem notwendigen Know-how beziehungsweise den erforderlichen Werkzeugen repariert wurden. Bei einer durchschnittlichen Pkw-Lebensdauer von zwölf Jahren summiert sich die Zahl der nach einem schweren Unfall unzureichend reparierten Pkw auf rund 600.000 Autos. "Diese Pkw bilden auf unseren Straßen ein hohes Gefährdungspotential für die eigene Sicherheit aber auch für die Verkehrssicherheit der anderen Verkehrsteilnehmer“, sagte Werner von Hebel.

Moderne Fahrzeugkonstruktionen machen Reparaturen komplizierter

"Grundsätzlich ist es möglich, den ursprünglichen Standard der aktiven und passiven Sicherheit von Fahrzeugen auch nach schweren Unfällen wiederherzustellen“, erläuterte Werner von Hebel. "Das ist allerdings bei modernen Fahrzeugkonstruktionen deutlich komplizierter geworden als noch vor zehn Jahren.“ Leichtbauweise, im Computer optimierte Karosserieelemente und exakt definierte Deformationszonen sorgen dafür, dass die Fahrzeuginsassen optimal geschützt werden. "Was sich früher ausbeulen oder auf der Richtbank wieder in Form bringen ließ, muss heute anders repariert werden um die Crashsicherheit wieder herzustellen.“ Nicht immer ist das die billigste Alternative. Deshalb wird gerade in der Unfallinstandsetzung häufig gepfuscht. Welche Auswirkungen das haben kann, zeigen aktuelle DEKRA-Crashversuche mit Längsträgern. Wird der Träger nach einer schweren Beschädigung nicht getauscht, sondern gerichtet, verformt er sich bei einem erneuten Crash deutlich stärker.

Gespart wird häufig auch an den Teilen. So fanden die DEKRA Sachverständigen bei einer Untersuchung über das Crashverhalten von Nachbauteilen Querträger, bei denen aus Kostengründen auf Verstärkungsbleche verzichtet worden war. Karosserieteile wiesen gegenüber dem Original abweichende Blechstärken auf und hatten damit ein deutlich schlechteres Crashverhalten. Nicht selten hat das auch Auswirkungen auf die elektronischen Sicherheitssysteme. Die Auslöseschwellen für Gurtstraffer und Airbags sind genau berechnet und dem Crashverhalten der Karosserie angepasst. Im günstigsten Fall lösen sie unnötigerweise schon beim kleinsten Anstoß aus. Dann wird es nur teuer. Genauso kann es aber sein, dass sie während eines schweren Crashs zu früh, zu spät oder gar nicht ausgelöst werden - mit fatalen Folgen für die Fahrzeuginsassen.

Ohne Know-how und richtige Ausrüstung ist keine Reparatur möglich

Neben dem Know-how für die Unfallinstandsetzung moderner Pkw muss die Werkstatt schließlich auch über die erforderliche Ausrüstung verfügen. Bestimmte hochfeste Bleche beispielsweise dürfen nur mit Spezialgeräten verarbeitet werden. Geschieht dies nicht, können die Bleche ihre tragende Rolle innerhalb des Sicherheitskonzeptes nicht erfüllen. "Schon allein deshalb ist heute eine Hinterhofwerkstatt nicht mehr in der Lage, eine qualifizierte Unfallreparatur durchzuführen“, urteilte DEKRA Geschäftsführer von Hebel.

Besonders problematisch sind die nach einem Unfall unzureichend instandgesetzten Pkw auch für den Gebrauchtwagenmarkt. "Der private Käufer ist kaum in der Lage, die Qualität einer Unfallreparatur zu beurteilen.“ Das DEKRA SIEGEL für Gebrauchtwagen bietet hier einen gewissen Schutz. Der Verkäufer lässt dazu das Fahrzeug vor dem Verkauf durch einen DEKRA Sachverständigen begutachten. Mit dem Siegel steigen die Verkaufs-Chancen und die Käufer, aber auch die Verkäufer haben die Gewissheit, einen Gebrauchten in einwandfreiem Zustand zu erwerben beziehungsweise zu verkaufen. Viele Händler dokumentieren mit dem Siegel schon heute die Qualität ihrer Gebrauchtwagen. So haben die DEKRA Sachverständigen in 2002 über 200.000 Siegel erstellt.

Autofahrer sparen an der eigenen Sicherheit

Nicht unerheblich sind auch die wirtschaftlichen Folgen, die durch Schwarzarbeit im Reparaturbereich entstehen: Nach Angaben des ZDK wurde hier im vergangenen Jahr ein Volumen von fünf Milliarden Euro erreicht. Auch hier machen sich die allgemeine wirtschaftliche Lage und die hohe Arbeitslosigkeit bemerkbar. "Die Autofahrer versuchen derzeit zu sparen, wo es geht. Wenn es sein muss, selbst an der eigenen Sicherheit.“ Dabei ist die Qualität der Unfallreparatur heute so wichtig wie nie. Denn neben den zunehmend komplexeren Sicherheitsstrukturen halten moderne Autos heute auch deutlich länger. Damit wächst einerseits die Wahrscheinlichkeit, dass sie in einen schweren Unfall verwickelt werden. Andererseits ist die fachgerechte Reparatur auch für den technischen und wirtschaftlichen Werterhalt von großer Bedeutung.

Andere europäische Staaten lassen schon länger Fahrzeuge nach schweren Unfälle erst nach umfangreicher Kontrolle wieder auf die Straße. In Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, der Schweiz und Spanien gibt es derartige Regelungen. Meist wird die Polizei schon bei der Unfallaufnahme aktiv, informiert die Zulassungsstelle oder zieht gar die Fahrzeugpapiere ein. Erst nach einer Überprüfung durch einen Sachverständigen oder nach Vorführung des reparierten Fahrzeugs bei der Zulassungsstelle darf der Autofahrer sein Auto weiter nutzen. In einigen Ländern sind zusätzlich auch die Kfz-Versicherer verpflichtet, einen Unfallschaden der Zulassungsstelle zu melden, wenn der Unfall nicht durch die Polizei aufgenommen worden ist.

Ein zweistufiges Modell für mehr Verkehrssicherheit

"In Deutschland darf dagegen jeder, der sich dazu in der Lage sieht, einen Unfallschaden reparieren, mit dem Ergebnis, dass eine Vielzahl rollender Zeitbomben auf unseren Straßen die Verkehrssicherheit erheblich gefährden“, urteilt Werner von Hebel. Er plädiert deshalb dafür, auch bei uns die Reparaturqualität konsequent zu kontrollieren. DEKRA schlägt dazu ein zweistufiges Modell vor: Wer sein Auto in einer Fachwerkstatt instandsetzen lässt, kann die fachgerechte Reparatur anhand der Rechnung nachweisen. Andere Reparaturalternativen müssten sich einer Prüfung durch einen Sachverständigen unterziehen, bevor das Fahrzeug wieder zum Verkehr zugelassen werden kann. "Das würde zweifellos die Verkehrssicherheit in Deutschland verbessern, manchen Unfall verhindern oder doch zumindest die Unfallfolgen mindern“, ist Werner von Hebel überzeugt.


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