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Thema: Motorsport


Vorschau des Mild Seven Renault F1 Teams auf den GP USA

Fahrer und Techniker des Mild Seven Renault F1 Teams blicken voraus auf den Großen Preis der USA in Indianapolis.

Jarno Trulli

"Indianapolis ist für mich ein ganz besonderer Ort: Es ist die Heimat eines der wichtigsten Rennen der Welt und besitzt in den Staaten eine Bedeutung wie für uns Europäer Monaco.

Den Grand Prix-Kurs halte ich technisch nicht für besonders anspruchsvoll. Es ist sehr rutschig und wir fahren mit relativ wenig Abtrieb. Bei der Abstimmung bemühen wir uns zunächst um gute Topspeed-Werte auf der Geraden und arbeiten dann am mechanischen Grip in den langsamen Kurven. Je besser uns das gelingt, umso mehr Flügel können wir wegnehmen, um auf der Geraden noch schneller zu sein.

Wir hoffen, dass wir in Indy ähnlich konkurrenzfähig sein werden wie in Montreal. Obwohl ich über meinen Ausfall immer noch enttäuscht bin, spüre ich, wie sich das Team bei den letzten Rennen verbessert hat und wie erfolgshungrig es auch vor dem US-Grand Prix ist.

Unser Team hat sich am vergangenen Wochenende sehr stark präsentiert, und im Vorjahr funktionierte unser Paket hier ausgesprochen Indianapolis könnte für uns ein nettes Rennen werden."

Fernando Alonso

"Ehrlich gesagt, waren wir von unserer Leistungsfähigkeit in Montreal selbst überrascht. Diese Erfahrung gibt uns noch mehr Zuversicht für Indy.

Auf dem Papier liegt uns Indianapolis eigentlich nicht besonders, deswegen möchte ich mit Vorhersagen vorsichtig bleiben. Der R23 ging hier im Vorjahr auf jeden Fall sehr gut, und  wir haben uns als Team während der zurückliegenden drei oder vier Rennen merklich gesteigert. Es gibt also Grund zum Optimismus.

Unsere Zuverlässigkeit war bis Kanada hervorragend. Ich buche die Probleme dort eher unter Pech ab und erwarte, das wir in dieser Hinsicht in Indy zu gewohnter Stärke zurückfinden.

Die Strecke selbst ist eigenartig. Du musst den richtigen Kompromiss zwischen den beiden unterschiedlichen Hälften finden. Das Abtriebsniveau entspricht etwa dem von Kanada – und dort waren wir schnell. Vielleicht können wir das hier wiederholen. Ich freue mich jedenfalls auf ein gutes Rennen."

Pat Symonds

"Es gibt gute Gründe, dass wir in Indianapolis gut dastehen werden. Die Strecke verlangt nach guter Topspeed auf der Geraden sowie reichlich Grip in den langsamen Kurven und Traktion beim Beschleunigen.

In dieser Hinsicht ähnelt der Kurs Montreal, wo wir bewiesen haben, dass wir eine gute Endgeschwindigkeit erzielen können und zugleich ausreichend Traktion in den Kehren besitzen. Der R24 funktioniert in langsamen Ecken auch mit geringem Abtrieb sehr gut.

Nach dem ersten Doppelausfall des Jahres in Kanada waren wir natürlich sehr enttäuscht – umso mehr, da wir Chancen auf unser bestes Saisonergebnis besaßen. Ohne die Antriebsdefekte und das Problem bei Fernandos erstem Stopp hätte er das Rennen gewinnen können. Und Jarno hätte gemessen an seiner Startposition wahrscheinlich noch vor ihm gelegen.

Aber "was wäre wenn" zählt im Motorsport nicht. Wir sind zuversichtlich, dass die Probleme aus Kanada am kommenden Wochenende nicht mehr auftreten. Das Team will seine gewohnte Zuverlässigkeitsquote wiederherstellen und unsere gute Form auch in der zweiten Saisonhälfte in zählbare Ergebnisse umsetzen."

Pat Symonds: Indianapolis aus Sicht des Ingenieurs

Indianapolis stellt die Renningenieure vor eine einmalige Aufgabe – es ist ein geradezu schizophrener Kurs. Er weist das mit 23 Sekunden längste Vollgasstück der Saison auf und besitzt andererseits einige der langsamsten Kurven des Jahres. Damit verlangt die strecke zwei widersprüchliche Fertigkeiten vom Auto: Für eine gute Zeit im Infield bestünde das optimale Setup aus hohem Abtrieb und hohem Luftwiderstand, um Traktion und Bremswirkung zu unterstützen – für den Rest der runde aber gilt das genaue Gegenteil. Hier die richtige Balance zu finden, ist eine interessante Aufgabe für die Techniker.

Wenn wir uns auf ein Rennen vorbereiten, zählt die Simulation der Flügeleinstellungen zu den wichtigsten Punkten. Dazu füttern wir ein komplexes Rechenprogramm mit den Auftriebs- und Luftwiderstandswerten für jede Abstimmung und jeden Flügeltyp. Das Programm berechnet dann, wie sich das Auto in einer Runde auf dem betreffenden Kurs verhält. Man könnte meinen, dass wir nun einfach die theoretisch schnellste Abstimmung auf das Auto übertragen. Das muss aber in der Realität nicht immer die beste Wahl darstellen. Auf Rennstrecken mit langen Geraden und entsprechend guten Überholmöglichkeiten kann es sinnvoll sein, etwas von der ultimativen Rundenzeit zu opfern, um nicht überholt werden zu können – oder aggressiver gedacht, um selbst überholen zu können. Indianapolis ist ähnlich wie Interlagos eine Strecke, auf der dieser Kompromiss noch komplexer zu erzielen ist, denn der Unterschied zwischen der superschnellen Schlusskurve und Geraden auf der einen sowie dem extrem langsamen Infield auf der anderen Seite ist enorm. Interessanterweise ändern sich zudem hier die Rundenzeiten nur marginal, wenn wir die Flügeleinstellung verändern.

Bei der Vorbereitung können sich die Ingenieure nur bis zu einem gewissen Punkt auf die Mathematik verlassen. Eine der Herausforderungen besteht darin, vorherzusehen, in welche Situation uns unsere Gegner im Rennen bringen könnten. Die ultimative Rundenzeit wird mit einem Topspeed von 335 km/h auf der Geraden erzielt. Falls wir aber herausfinden, dass unsere direkten Gegner 15 km/h schneller fahren, wird es nötig, den Kompromiss in Richtung Topspeed zu ändern. Wir müssen ihre Geschwindigkeit mitgehen können – selbst um den Preis einer insgesamt schlechteren Rundenzeit. Dieser einmalige Charakter von Indy bringt es mit sich, dass diese zusätzlichen 15 km/h die Runde nur um 0,1 Sekunden verlangsamen. Das ist ein kleines Opfer für die höhere und taktisch wichtigere Endgeschwindigkeit.

Auf den ersten Blick könnte man annehmen, dass die flacheren Flügel das Auto in den engen Kurven schwieriger beherrschbar machen. Die Realität sieht anders aus, da die Kurven im Infield so langsam sind, dass die Aerodynamik dort ohnehin kaum etwas ausrichtet. Der Grund: Der Abtrieb eines Formel 1-Autos wächst und sinkt proportional zum Quadrat der Geschwindigkeit. Der Verlust an Flügelprofil beträgt einen bestimmten Prozentsatz. In Kilogramm Abtrieb ausgedrückt, macht dieser Prozentsatz wiederum nur einen kleinen Untzerscheid aus. Wegen der hohen Geschwindigkeiten auf der Geraden ist es sogar so, dass das Teile wie die Unterboden oder der Diffuser mehr Downforce produzieren und den Verlust der Flügel wettmachen. Zudem reagiert das Auto mit weniger Abtrieb nicht so empfindlich auf Veränderungen der Bodenfreiheit und des Anstellwinkels vorn/ hinten. Der Fahrer wir den größten Unterscheid beim Bremsen und in der späten Phase des Beschleunigens spüren, wenn viel mehr Downforce generiert wird als etwa im Scheitelpunkt einer Kurve.

Für den Renningenieur ist es bisweilen schwierig zu entscheiden, wie er sich diesem Problem nähern soll. Vor den Regeländerungen im vergangenen Jahr lag es nahe, im Qualifying die Konfiguration zu verwenden, die theoretisch die beste Rundenzeit versprach, und im Rennen die taktisch günstigere Topspeed-Abstimmung zu wählen. Da wir derzeit Qualifying und Rennen mit demselben Setup fahren müssen, sollte diese Entscheidung frühzeitig feststehen. Auf den ersten Blick sieht das einfacher aus, denn früher mussten wir raten, was die Konkurrenz wohl fürs Rennen ändern würde. Die Ein-Motoren-Regel fügt diesem Ratespiel seit Anfang 2004 eine neue Komponente hinzu. Da die Triebwerke viel längere Distanzen halten müssen als früher, fahren viele Teams im freien Training mit reduzierter Drehzahl. Erst im Qualifying geben sie die volle Leistung frei. Das bedeutet, dass die im Training gefahrenen Geschwindigkeiten irreführend sein können. Also müssen wir auf der Basis der bisherigen Rennen beurteilen, wie unser individueller Kompromiss in diesem Puzzle aussieht.

Denis Chevrier: Indianapolis aus Sicht des Ingenieurs

Indianapolis stellt die Triebwerke vor eine erheblich härtere Aufgabe als Montreal. Der Grund ist die ultralange Gerade. Über eine Runde betrachtet, liegt der Vollgasanteil von Indy sogar unter dem von Kanada bei 56,6 Prozent. Die einzigartige Charakteristik von Indianapolis bringt es aber mit sich, dass dieser Wert fast an einem Stück erzielt wird – während der 22 Sekunden Volllast vom Ausgang von Turn 11 bis zur Bremszone von Turn 1. Während sich die drei Sektoren in Kanada sehr gleichen, sind sie beim USA-Kurs sehr verschieden. Wir müssen praktisch zwei Kurse in einem berücksichtigen, und das hat ernste Auswirkungen auf die arbeit der Motorenbauer.

Für einen Formel 1-Motor stellt die längste Vollgasperiode auf jedem Kurs die Höchststrafe dar. Die durchschnittliche Volllastzeit über eine Runde ist weit weniger bedeutsam. Die Herausforderung besteht im Ableiten der Hitze, und der Bereich, den das am meisten betrifft, sind die Kolben. Wenn ein Fahrer durch die Gänge hochbeschleunigt, befindet sich der motor nie sehr lange auf Höchstdrehzahl. Beim Bremsen werden die beweglichen Teile des Motors entlastet und die Hitze kann abfließen. Bei einer längeren Vollastzeit allerdings entfällt diese Erholungsphase, und die Hitze staut sich.

Der beste Vergleich ist vielleicht folgender: Nehmen wir einen Ofen, der auf sechzig Grad geheizt ist. Wenn wir jemanden aufordern, zehn Mal für eine Sekunde hineinzugehen, würde ihm das nicht weiter schaden. Ein Ofen-Besuch über zehn Sekunden dagegen könnte ernste Folgen haben. Was die Sache noch schwieriger macht: Das Hitzeproblem steigt nicht linear mit der Vollgaszeit, sondern stärker. Eine doppelt so lange Zeit resultiert in einer vielfachen Belastung.

Die Dauer der Volllast hebt Indy und Spa-Francorchamps vonm Durchschnitt der Kurse ab. Auch die neuen Strecken mit ihren langen Geraden fordern nur 13 bis 14 Sekunden Volllast. Davon abgesehen, ähneln die Herausforderungen denen von Montreal – vor allem darin, dass die notwendige Leistung bei vergleichsweise geringen Drehzahlen im Infield und bei Höchstdrehzahl auf der Geraden zur Verfügung stehen muss.


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