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Thema: Motor & Technik


Mercedes-Benz 4MATIC-Regel-Strategien für beste Traktion im Winter

Das mechanische Fundament der 4MATIC mit der Momentenverteilung von 45% zu 55% zwischen Vorder- und Hinterachse und die Lamellensperre im Zentraldifferenzial mit einer Grundsperrwirkung von 50 Nm bietet optimale Voraussetzungen für Fahrstabilität und damit aktive Sicherheit. Diese Grundkonzeption ermöglicht hohe Traktionswerte, weil einerseits die beim Beschleunigen auftretende dynamische Achslastverschiebung Richtung Hinterachse genutzt wird, um dort mehr Antriebsmoment abzusetzen. Andererseits kann die Lamellensperre das Antriebsmoment aber auch variabel von 30% zu 70% bzw. 70% zu 30% zwischen Vorder- und Hinterachse verschieben, falls die Straßenverhältnisse das erfordern. So kann der Eingriff der elektronischen Regelsysteme ESP®, 4ETS oder ASR möglichst spät erfolgen, ein Großteil des Antriebsmoments wird auch auf glatten Straßen in Vortrieb umgesetzt. Alle Regeleingriffe erfolgen fast unmerklich. Trotzdem erfährt der Fahrer sofort, wenn er sich dem Grenzbereich nähert. In diesem Fall blinkt im Kombi-Instrument eine gelbe Warnlampe. Sie ist das eindeutige Signal, die Fahrweise den Straßenverhältnissen anzupassen.

Die Auslegung als permanent arbeitende Antriebsmechanik hat entscheidende Vorteile gegenüber anderen Systemen, die zur Aktivierung des Allradantriebs erst einmal mangelnde Traktion diagnostizieren müssen und danach ihr 4x4 aktivieren. Diese Zeitspanne nutzt die 4MATIC des GLK bereits, um Antriebsmoment über die Räder auf die Fahrbahn zu übertragen.

Kammscher Kreis: Die Fahrphysik setzt Grenzen

Wie jedes Allradsystem muss auch die 4MATIC des GLKden Gesetzen der Fahrphysik folgen. Diese Zusammenhänge werden recht anschaulich im so genannten "Kammschen Kreis" beschrieben. Die Grundregel: Ein Reifen kann nur eine bestimmte Gesamtkraft auf die Fahrbahn übertragen. Wird beispielsweise beim Beschleunigen oder Bremsen besonders viel Kraft in Längsrichtung benötigt, reduzieren sich die zur Verfügung stehenden Seitenkräfte. Beim Kurvenfahren kehrt sich dieser Zusammenhang um. Hier wird besonders viel Seitenkraft zur Spurhaltung benötigt, das Kraftpotenzial in Längsrichtung ist begrenzt. Die Kunst der Ingenieure bei der Konstruktion der Antriebsmechanik und Abstimmung der Regelsysteme besteht darin, diese Zusammenhänge so zu nutzen, dass ein bestmögliches Fahrverhalten unter allen Bedingungen gewährleistet ist. Das physikalische Haftungsvermögen zwischen Reifen und Untergrund beschreibt dabei der Reibungskoeffizient µ. Auf trockner Straße liegt dieser Wert hoch (µ=0,9), auf Schneefahrbahn niedrig (µ=0,3).

Trotz allem Engagement der Ingenieure bestimmt letztendlich der Fahrer, wie sicher er unterwegs ist. Er sollte seine Fahrweise immer den winterlichen Straßenverhältnissen anpassen und sein Fahrzeug entsprechend ausrüsten. Unabdingbar sind hier Winterreifen.

Kräftebalance im "Kammschen Kreis"

Die Mitarbeiter des Mercedes-Benz Technology Centers verfügen hier über einen weiten Erfahrungsschatz. Immerhin entstand der erste Allradantrieb bereits vor über 100 Jahren, auch bei der Abstimmung von Allrad-Regelsystemen besetzen die Ingenieure eine Führungsposition. Das 4ETS feierte 1997 in der 1. Generation der M-Klasse Weltpremiere, die Entwicklungen begannen bereits 1993. Damit verfügt Mercedes-Benz über den längsten Erfahrungsschatz aller Automobilhersteller mit diesen Systemen.

4ETS: Integrierte "Anfahrautomatik" für Eis und Schnee

Beim Anfahren unter winterlichen Bedingungen nutzen die Ingenieure beim GLK 4MATIC die Offroad-Algorithmen, um optimale Traktion aufbauen zu können. Es werden bestimmte Fahrbahnzustände automatisch erkannt und die Eingriffe des Allrad-Regelsystems 4ETS so beeinflusst, dass ein möglichst hohes Beschleunigungsvermögen bei minimalem Radschlupf und damit bester Fahrstabilität erreicht wird. Diese Strategie ermöglicht auch ein Anfahren unter widrigsten Bedingungen, wenn beispielsweise das Fahrzeug einseitig auf einer vereisten Steigung steht (das sogenannte µ-Split) oder beide Räder der Vorder- oder Hinterachse geringen Halt finden (µ-Sprung).

Beim Anfahren auf µ-Split steht der GLK mit einer Seite auf Schnee oder Eis und mit der anderen auf Asphalt. Es liegen große Reibwertunterschiede zwischen der linken und rechten Fahrzeugseite vor. Dabei limitiert bei allen Fahrzeugen mit offenen Achsdifferentialen das Rad mit dem kleineren Reibwert die maximal übertragbare Antriebskraft. Wenn die Antriebskraft über die maximal übertragbare Kraft hinaus gesteigert wird, beginnen die auf Schnee oder Eis stehenden Räder durchzudrehen. Der GLK könnte nicht anfahren. Diese Situation erkennt das 4ETS sofort und durchdrehende Räder werden durch gezielten Druckaufbau in den Radbremsen verhindert. Da sich nun das Rad mit dem höheren Reibwert an der Bremskraft des Rades mit dem kleineren Reibwert abstützt, setzt sich der GLK in Bewegung. Nach dem Anfahrvorgang wird das Radverhalten genau beobachtet und der Bremsdruck so geregelt, dass sich nach Möglichkeit kein Drehzahlunterschied zwischen den einzelnen Rädern ergibt. Der 4ETS-Bremseingriff simuliert sozusagen auf der Seite mit Eis oder Schnee einen höheren Reibwert, der im Idealfall dem Reibwert auf der Asphaltseite entspricht. So wird eine optimale Quersperrwirkung an den Achsdifferentialen erzeugt und die maximal mögliche Beschleunigung auf µ-Split erreicht.

Problemloses Anfahren auf unterschiedlichen Reibwerten (µ-split)

Das Anfahren auf "µ-Sprung", bei dem der GLKmit einer kompletten Achse auf Eis oder Schnee und mit der anderen Achse auf Asphalt steht, wird durch die großen Reibwertunterschiede zwischen Vorder- und Hinterachse erschwert. Bei Fahrzeugen mit offenem Längsdifferential bestimmt die Achse mit dem kleineren Reibwert die absetzbare Antriebskraft. Hier wirkt zwar die Lamellensperre mit ihrer Grundsperrwirkung von 50 Nm ausgleichend, kann jedoch diese extremen Reibwertunterschiede nicht ausgleichen. Auch unter diesen Bedingungen beginnen die beiden Räder der Achse mit dem kleineren Reibwert durchzudrehen, wenn die Antriebskraft die auf diesem Reibwert maximal absetzbare Antriebskraft übersteigt. Abhilfe schafft hier das 4ETS, indem es die durchdrehenden Räder sofort erkennt und abbremst. Dadurch kann sich die Achse mit dem höheren Reibwert an der gebremsten Achse mit dem kleineren Reibwert abstützen – der GLK setzt sich in Bewegung.

Problemloses Anfahren auf unterschiedlichen Reibwerten (µ-sprung)

Auf kurvigen Schnee- und Eisfahrbahnen wird die Stabilität des Fahrzeugs maßgeblich durch die Motormomentenregelung in der Antriebs-Schlupfregelung ASR sichergestellt. In Abhängigkeit der laufend aus der ESP ® -Sensorik ermittelten Längs- und Querdynamik des Fahrzeugs werden die ASR -Regelschwellen der Fahrsituation angepasst. Die Auslegung bildet dabei den beschriebenen Kammschen Kreis ab. Um ein Ausbrechen des Fahrzeugs zu verhindern, muss die Längskraft bei Kurvenfahrt mittels der Motormomentenregelung so geregelt werden, dass immer eine ausreichende Querkraftreserve zur Verfügung steht. Um diesem physikalischen Zusammenhang gerecht zu werden, wird bei Kurvenfahrt auf Niedrigreibwert die Stabilität des Fahrzeugs hauptsächlich durch Eingriffe des ESP ® und der Antriebs-Schlupfregelung ASR so geregelt, dass immer eine ausreichende Querkraftreserve zur Verfügung steht. Es wird zunächst nur soviel Motormoment an die kurvenäußeren Rädern übertragen, damit die Reifen ausreichend Querkräfte aufbauen können. Kann durch diese Regelung keine Fahrstabilität hergestellt werden, folgen stabilisierende Bremseneingriffe des ESP®.

Stabiles Fahrverhalten bei Kurvenfahrt

Im Gegensatz zu den Regelmechanismen bei Kurvenfahrt kann beim Beschleunigen auf gerader Strecke deutlich mehr Längskraft abgesetzt werden, da die Reifen kaum Querkräfte übertragen müssen. Dabei ist es wichtig, dass die Reifen im optimalen Bereich der µ-Schlupfkurve arbeiten können. Um dies zu erreichen, werden in dieser Fahrsituation die Regelschwellen für die Motormomentenregelung angehoben. Gleichzeitig wirkt hier die Lamellensperre im Verteilergetriebe, die den Antriebsstrang in Längsrichtung mit 50 Nm sperrt. Diese Sperrwirkung erhöht deutlich das Traktionsvermögen, ohne die Regelsysteme negativ zu beeinflussen. Durch die Achsübersetzungen können damit 150 Nm an den Rädern abgesetzt werden.

Unter bestimmten winterlichen Bedingungen kann es erforderlich werden, die Regelsysteme mit dem "ESP® OFF"-Schalter zu deaktivieren. Das ist der Fall, wenn hohe Schlupfwerte an den Rädern nötig sind – etwa beim Freiwühlen aus Tiefschnee mit oder ohne Schneeketten. Beim Bremsen steht dem Fahrer auch im ESP-OFF die volle Unterstützung zur Verfügung. Zurück auf normal verschneiter Fahrbahn sollte der Fahrer die Regelsysteme wieder aktivieren.


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