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Thema: Historie


Béla Barényi: Seit 100 Jahren Vater der modernen Automobilsicherheit

Vor genau 100 Jahren wurde Béla Barényi, der Vater der modernen Automobilsicherheit, in Hirtenberg bei Wien geboren. Ihm sind bahnbrechende Erfindungen wie Knautschzone, Sicherheitslenkung und Seitenaufprallschutz zu verdanken. Insgesamt über 2.500 Patente zeugen von dem Erfindergeist des begnadeten Ingenieurs, der durch sein Wirken für Mercedes-Benz zwischen 1939 und 1972 Millionen Menschen indirekt das Leben gerettet hat. Sein Knautschzonen-Prinzip ging 1959 erstmals bei Mercedes-Benz in Serie und bildet bis heute die Grundlage der modernen Pkw-Sicherheit. Béla Barényi starb am 30. Mai 1997 in Böblingen.

Mit Barényis Eintritt in die Daimler-Benz AG am 01. August 1939 begann die systematische Pkw-Sicherheitsentwicklung. Eine Holzbaracke am Rande des Sindelfinger Mercedes-Werks war der Arbeitsplatz des jungen und ebenso talentierten wie ungeduldigen Ingenieurs, der sich zum Ziel gesetzt hatte, die Autotechnik zu revolutionieren. "Lenkung, Lenksäule, Lenkrad, Fahrgestell und Karosserie müssen bei einem Auto der Zukunft anders aussehen als heute", hatte er Wilhelm Haspel, dem damaligen Vorstandsvorsitzenden von Daimler-Benz, beim Einstellungsgespräch erklärt.

In Sindelfingen bekam Barényi Gelegenheit, es besser zu machen. Der "Plattformrahmen für Kraftfahrzeuge" war seine erste Erfindung für den neuen Arbeitgeber. Sie verbesserte den seitlichen Aufprallschutz und bot die solide Basis für eine "gestaltfeste Fahrgastzelle". Im Februar 1941 wurde die Neukonstruktion patentiert. Barényi war zu diesem Zeitpunkt jedoch mit seinen Gedanken bereits ein ganzes Stück weiter: Seine Vision war eine stabile Fahrgastzelle "umgeben von Knautschzonen vorne und hinten".

In Grundzügen hatte er diese Idee schon Mitte der Dreißigerjahre entwickelt und ein "Zellenfahrzeug" konzipiert, dessen einzelne Abschnitte auf mechanische Belastungen unterschiedlich reagieren: Es war steif in der Mitte, aber bei einem Unfall plastisch verformbar an Front und Heck. Im Januar 1937 meldete Barényi das Patent für dieses "Kraftfahrzeug mit in drei Teile unterteiltem Aufbau" an. Ergänzungen und Weiterentwicklungen folgten in den nächsten Jahren.

Patent 854 157: Das Grundprinzip der modernen Automobilsicherheit

Als Mercedes-Ingenieur näherte er sich mit verschiedenen Projektstudien dem Ziel, ein Auto mit diesen Sicherheitsmerkmalen bis zur Serienreife zu entwickeln. 1952 wurde aus seiner Vision ein Patent, das noch heute als das Fundamentalprinzip der passiven Sicherheitstechnik gilt. Den Knautschzonen-Effekt erzielte Barényi vor allem durch die Gestaltung der Trägerstruktur: Während die Längsprofile in der Wagenmitte gerade ausgeführt wurden und zusammen mit den Blechen einen stabilen Sicherheitskäfig bildeten, waren die Träger an Front- und Heckpartie gebogen. So verformten sie sich bei einem Unfall, nahmen dabei einen Teil der Kollisionsenergie auf und schützten die Insassen vor der vollen Aufprallwucht. Damit wurden die Limousinen 220, 220 S und 220 SE der Mercedes-Modellreihe W 111 im Jahre 1959 zu den weltweit ersten Personenwagen mit moderner Sicherheitskarosserie.

Barényi-Erfindungen: Von der Prallplatte bis zum "Pagoden"-Dach

Barényi avancierte zum Leiter der Mercedes-Vorentwicklung, doch sein Fernziel eines rundum sicheren Autos hatte er noch nicht erreicht: 1960 starben auf Deutschlands Straßen über 16.400 Menschen, viele davon als Auto-Insassen.

Schon in den Vierzigerjahren hatte der Vordenker eine der größten sicherheitstechnischen Schwachstellen erkannt und widmete sich immer wieder diesem Thema: der Verbesserung von Lenkrad und Lenksäule, die sich beim Unfall in Richtung Innenraum schoben und schlimme Verletzungen verursachten. "Über die Lenkung habe ich mich stets am meisten geärgert", sagte der Sicherheitspionier rückblickend bei einem Interview im Jahre 1994. "Sie wurde damals schlichtweg unüberlegt entwickelt." Barényis Problemlösungen waren das Pralltopf-Lenkrad und die zweigeteilte "Sicherheits-Lenkwelle", die er 1963 patentieren ließ. Beide Erfindungen sind im Prinzip noch heute aktuell - nicht nur in den Automobilen mit dem Stern.

Auch der versenkt angeordnete Scheibenwischer, der 1979 in der damaligen S-Klasse (Modellreihe W 126) realisiert wurde und dem Fußgängerschutz dient, sowie stabile Dachkonstruktionen wie das weltberühmte "Pagoden"-Dach des SL von 1963 (Modellreihe W 113) gehen auf Arbeiten Barényis zurück.

Nach seiner Pensionierung im Jahre 1972 widmete sich Barényi konsequent der Erweiterung seines Archivs. In dieser Zeit wurde der Erfinder und Pionier der passiven Sicherheit immer wieder für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Eine der größten Ehrungen erfuhr er 1994 durch die Aufnahme in die "Automotive Hall of Fame". Dort steht Béla Barényi in einer Reihe mit deutschen Automobilpionieren wie Gottlieb Daimler, Karl Benz, Robert Bosch und Ferdinand Porsche. Am 30. Mai 1997 starb er im Alter von 90 Jahren in Böblingen.

Weiterentwicklung: Offset-Knautschzone mit Aufprallebenen

Barényis Knautschzonen-Erfindung hat Mercedes-Benz im Laufe der Jahre konsequent weiterentwickelt und auf das reale Unfallgeschehen abgestimmt. Ein wichtiger Meilenstein war die Auslegung der Frontstruktur auf den sogenannten Off-set-Unfall, bei dem nur ein Teilbereich der vorderen Knautschzone belastet wird.

Heute sorgt ein neues Konstruktionsprinzip für einen noch wirksameren Insassenschutz - nicht nur beim Offset-Crash. Dieser moderne Aufprallschutz basiert auf einem mehrstufigen Konzept, das je nach Unfallschwere ganz oder teilweise in Aktion tritt. Beispiel C-Klasse: Die neue Limousine verfügt über vier voneinander unabhängige Aufprallebenen. Die Kräfte können deshalb großflächig verteilt und an der Fahrgastzelle vorbeigeführt werden. Zudem bestehen rund 70 Prozent aller Bleche der Rohbaukarosserie aus hochfesten Stahllegierungen, die bei minimalem Gewicht maximale Festigkeit und damit größtmögliche Sicherheit garantieren. Das ist ein neuer Spitzenwert in der Pkw-Entwicklung.

Vision: Mit Assistenzsystemen unfallfrei Auto fahren

Seine Vorreiterrolle auf dem Gebiet der Automobilsicherheit hat Mercedes-Benz in jüngster Zeit auch durch Innovationen wie den präventiven Insassenschutz PRE-SAFE® und die PRE-SAFE®-Bremse unterstrichen, die bei akuter Gefahr eines Auffahrunfalls eine automatische Teilbremsung vornehmen und so den Aufprall verhindern oder die Aufprallschwere vermindern kann.

Bei der Entwicklung künftiger Fahrer-Assistenzsysteme orientiert sich Mercedes-Benz auch weiterhin am realen Unfallgeschehen. So arbeiten die Sindelfinger Ingenieure an einer zweiten Stufe der PRE-SAFE®-Bremse, die eine autonome Vollbremsung vornimmt, wenn die Kollision unvermeidbar ist und dadurch die Aufprallschwere nochmals deutlich verringern kann. Mit neuen Systemen will Mercedes-Benz in Zukunft zum Beispiel auch die Sicherheit an Kreuzungen verbessern und Autofahrer rechtzeitig warnen, wenn Anzeichen von Übermüdung auftreten.

Auch mithilfe der Fahrzeug-Fahrzeug-Kommunikation, die Mercedes-Benz in den USA bereits in der Praxis erprobt, lassen sich Unfälle vermeiden oder die Folgen von Kollisionen deutlich vermindern. Ist ein Zusammenstoß unvermeidbar, könnte der Datenaustausch zwischen den Fahrzeugen dazu genutzt werden, die Schutzsysteme der Insassen situationsgerecht auszulösen und dabei auch Größe, Masse und Geschwindigkeit des Unfallgegners zu berücksichtigen.

Mit solchen und anderen Innovationen wird Mercedes-Benz sein langjähriges Engagement zur Verbesserung der Fahrsicherheit fortsetzen. Im Vordergrund steht dabei stets das bereits von Béla Barényi formulierte Prinzip der Mercedes-Sicherheitsphilosophie: einen fundierten Beitrag zur Verbesserung der Sicherheit auf unseren Straßen zu leisten und mit jeder neuen Erfindung der Vision vom unfallfreien Fahren ein Stück näherzukommen.


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