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Thema: Motorsport


GPS-System und Navigation als Schlüssel zum "Dakar"-Erfolg

Navigation: Michel Périn (F), Volkswagen Race-TouaregNavigation lautet das Zauberwort am Ende der beschilderten Straßen, wenn der Rallye-Tross am 02. Januar nach Afrika übersetzt. Dann zählen nicht nur das fahrerische Können, die technischen Qualitäten des Volkswagen Race-Touareg und ein starkes Team im Hintergrund. Dann zählen moderne technische Hilfsmittel, aber auch die gründliche Beherrschung navigatorischer Kenntnisse, eine gute Vorbereitung und ein großer Erfahrungsschatz für eine erfolgreiche Orientierung im freien Gelände.

Die Grundelemente: Roadbook, Kartografie und Instrumente

Zentraler Bestandteil einer bewusst so vielseitig konzipierten Sportart wie dem Marathon-Rallyesport ist die Navigation. Um die Orientierung als einen zentralen Wettbewerbs-Aspekt zu bewahren, sind alle Hilfestellungen zeitlich und inhaltlich streng limitiert und für die Rallye Dakar 2005 nochmals verschärft worden. So gibt zwar eine Übersichtskarte etwa sechs Wochen vor Rallye-Beginn die grobe Fahrtrichtung entlang der Tages-Etappenziele bekannt. In einem Maßstab von etwa 1:10.000.000 allerdings ist dieses Gesamtwerk nicht im Geringsten zur Detailplanung geeignet.

Robby Gordon/Dirk von Zitzewitz (USA/D), Volkswagen Race-Touareg, 1. Etappe Rallye DakarDer präzise Streckenverlauf ist ein wohl gehütetes Geheimnis, das stets erst am Vorabend der zu befahrenden Etappe gelüftet wird: Mit der Ausgabe des so genannten Roadbooks durch den Veranstalter erschließt sich den Beifahrern der detaillierte Streckenverlauf des nächsten Tages. Er wird freilich nur durch ein Kürzel- und Pfeilsystem mit Distanzangaben erkennbar, das den Weg aus der Cockpit-Perspektive weist. Eine Karte als Referenz fehlt.

Für die kartografische Aufarbeitung sind die Teams selbst verantwortlich. So dürfen die am Vorabend jeder Etappe veröffentlichten GPS-Punkte, die jeweils einen Wert in Längen- und in Breitengradrichtung ausweisen, in eine Karte eingetragen werden, die im Fahrzeug mitgenommen wird. Gleichzeitig werden die bekannt gegebenen Koordinaten in das bordeigene GPS-System eingespeist. Zur weiteren Ausrüstung im Cockpit zählt ein Wegstreckenzähler, der Teilabschnitte, Gesamtdistanzen und Fahrzeiten ermittelt. GPS-Gerät und Wegstreckenzähler verfügen zur Sicherung jeweils über eine zweite Einheit. Ein Kompass komplettiert die Ausrüstung, die vom Beifahrer bedient wird.

Die Vorbereitung: Vom Roadbook zur Karte

Wenn die Teams während der Rallye Dakar am Abend die Roadbooks für die nächste Etappe erhalten, steht ihnen nach einem harten Tag eine weitere Fleißaufgabe bevor. Hunderte von Pfeilen, Symbolen und Zeichnungen weisen den Weg durch viele hundert Kilometer am Folgetag. Wer die Kürzel richtig interpretiert, erreicht das Ziel mühelos. Doch eine kartografische Einordnung dieser Angaben ist unabdingbar. "Wenn man die im Roadbook angegebene Strecke unfreiwillig verlässt und sich verirrt, benötigt man zur Absicherung eine Karte", erklärt Volkswagen Werksfahrerin Jutta Kleinschmidt.

Zur optimalen Vorbereitung haben die Teams das Gesamtgelände jeder einzelnen Tagesetappe anhand der wenigen bekannten Streckeninformationen im Vorfeld kartografisch vorbereitet. Diese absolut Reglement konforme Praxis unterliegt allerdings einer strengen Richtlinie: Der Maßstab der Übersicht, die die Piloten mitführen, darf 2005 erstmals nicht detaillierter als 1:500.000 sein.

Zusammen mit Computer-Fachmann Dietmar Mondon hat sich Team-Navigator Bobby Willis im Dezember mit den vier Volkswagen Copiloten Dirk von Zitzewitz, Fabrizia Pons, Michel Périn und Juha Repo das Gebiet der Rallye Dakar 2005 unter Mithilfe der Fahrer kartografisch erschlossen. So hat Willis, der ein kartografisches Unternehmen betreibt, im Vorfeld Karten mit Fotocharakter erstellt, die den bereits bekannten, allgemeinen Streckenverlauf abbilden. "Dieses Material haben wir dann georeferenziert", erläutert Mondon. "Wir haben also ein so genanntes Minuten-Gitter von Längen- und Breitengraden über die Karten gelegt.

Die Minuten-Karte dient als Kalibrierungsgitter, in dem ich mit GPS-Angaben jeden beliebigen Ort finden kann. Umgekehrt kann ich mit einer aktuellen GPS-Angabe im Auto über eine georeferenzierte Karte auch wieder auf meinen Standpunkt zurückschließen." Jeder Winkelgrad lässt sich in 60 Minuten unterteilen, jede Minute in 60 Sekunden. Um den Äquator verläuft der Null-Breitengrad, während der Null-Längengrad das Londoner Greenwich-Observatorium kreuzt. Mit dieser Zuordnung hat das Team die Strecke in navigatorische Maßzahlen eingebettet. Umgesetzt wird die Erfassung mit der Software "Quo vadis" des Anbieters Touratech, einem im Handel erhältlichen Computer-Programm. Farb-Ausdrucke der georeferenzierten Strecke finden sich im Format A3 in den Cockpits der vier Race-Touareg und der beiden Race-Trucks, die dieselbe Strecke fahren.

Puzzle mit sieben Elementen: Das Erarbeiten und Erahnen des richtigen Weges

Auf der Basis früherer Unterlagen – Roadbooks und Karten aus den Vorjahren – spielen sieben Kernaspekte eine Rolle bei dem Versuch, den Verlauf der künftigen Etappen zu erahnen und während der Veranstaltung um die tagesaktuellen Informationen zu ergänzen:

Die Geografie ist durch Kompasskurse, Straßen, Bergnamen, Kreuzungen, Gabelungen und ähnliche Faktoren definiert. Die Topografie kommt in der Wahrnehmung von Flusstälern, Pässen, Brunnen und anderen landschaftlichen Besonderheiten zum Tragen. Der Untergrund – von Sand über Fels, Schotter, Asphalt, Kamelgras bis zu Dünen – fließt als dritter Punkt in die Arbeit ein. Kartografische Definitionen bestimmen Chancen und Grenzen der Auslotung: Sind ältere Karten noch gültig? Gab es nach der Erstellung von Kolonialkarten des französischen Institut Géographique National weitere kartografische Erfassungen in westafrikanischen Wüstengebieten? Stehen Flugkarten zur Verfügung, die sich an so genannten Auffanglinien wie Ansiedlungen, Eisenbahnen oder großen Straßenführungen orientieren und die damit zuverlässiger sind als kleinere, vergänglichere Referenzpunkte?

Ferner muss überprüft werden, ob über die GPS-Koordinaten hinaus, die der Veranstalter an jedem Abend liefert, aus früheren Etappen der Rallye Dakar weitere Daten bekannt sind. Denn in aller Regel werden Teilstrecken befahren, die bereits in der Vergangenheit genutzt wurden, da nur mit größtem Aufwand eine vollkommen neue Strecke zu verwirklichen wäre. Ebenso müssen theoretische Rahmenbedingungen berücksichtigt werden – etwa drohen bei Tempoüberschreitungen in Ortsdurchfahrten empfindliche Zeitstrafen für die Piloten, sogar wenn die Service-Fahrzeuge des eigenen Teams die Limits überschreiten. Hinzu kommt, dass ein geografischer Korridor von 3,3 Kilometer rechts und links der Strecke nicht überschritten werden darf, sonst drohen Zeitstrafen. Kontrolliert wird die Einhaltung durch die Erfassung der gefahrenen Strecke per GPS-Gerät.

Persönliche Erfahrungen der Fahrer und Beifahrer komplettieren als siebter Faktor die Übertragung der Roadbook-Informationen auf eine Karte: Wo fand sich in der Vergangenheit die Zufahrt zu einer bestimmten Passüberfahrt? Welche Pistenqualität ist auf bestimmten Teilstrecken zur erwarten?

Die Anwendung: Navigation mit Unterlagen und Instrumenten

Beim Start einer Wertungsprüfung beginnen die Copiloten, ihren Fahrern aus dem dreispaltigen Roadbook vorzulesen: In der linken Spalte sind Entfernungen aufgeführt, in der Mitte geben Pfeile die dazugehörige Fahrtrichtung an, die rechte Spalte weist auf die jeweiligen Besonderheiten wie Bodenwellen oder Gefahrenstellen hin und gibt gleichzeitig mit Kompasszahlen und GPS-Daten aktuelle Richtungs- und Zielangaben. Gleichzeitig kontrollieren die Beifahrer mit dem Wegstreckenzähler permanent Teilabschnitte und Gesamtfahrtstrecke.

Da der Veranstalter die Zahl der gegebenen GPS-Wegepunkte bei der Rallye Dakar 2005 auf die offiziellen Durchfahrt-Kontrollstellen (CP) und das Etappenziel reduziert hat, sind nur noch drei bis vier Koordinaten für viele hundert Kilometer verfügbar. Die vom GPS-Gerät vorgegebenen Richtungen definieren also eine grobe Luftlinie, von der die tatsächliche Streckenführung beträchtlich abweichen kann. So ist denkbar, dass etwa die gerade Linie zwischen zwei GPS-Angaben und damit die Pfeilangabe im Instrument nach Süden weist, aber das Roadbook eine westlich um ein unüberwindbares Bergmassiv zu fahrende Schleife vorschreibt, die eingehalten werden muss. Die GPS-Angabe dient also nur als punktuelle Kontrolle.

"Ein GPS-Gerät ist keinesfalls ein Kompass und kann ihn auch nicht ersetzen", erläutert Dietmar Mondon. "Vielmehr zeigt es nur einen durch die Fortbewegung errechneten Vektor an zwischen dem letzten und dem nächsten Punkt. Steht man einmal, um sich zu orientieren, zeigt das GPS-Gerät keine Richtung mehr an." Damit ist es unabdingbar, die eigene Fahrtrichtung mit dem Kompass zu kontrollieren. Aktuelle Kompass-Zahlen (Null für Norden, 90 für Osten, 180 für Süden, 270 für Westen) im Roadbook geben Aufschluss darüber, ob die aktuelle Richtung korrekt ist.

"Wie gut die Vorbereitung wirklich war, sehen wir dann Tag für Tag in der Wüste" erklärt Jutta Kleinschmidt. Zu dem Erfahrungsschatz, der bei Volkswagen dank der langjährigen individuellen Erfahrungen versammelt ist, zählt das Know-how von sechs "Dakar"-Siegen, verteilt auf Juha Kankkunen, Bruno Saby, Jutta Kleinschmidt und Michel Périn.


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